Euro-Konjunktur

Verbraucher schieben Euro-Wirtschaft an

Die Euro-Wirtschaft hat im Sommer zwar an Schwung verloren, das Wachstum von 0,2 % fiel aber immer noch unerwartet kräftig aus. Die erneut auf einen Rekordwert gestiegene Inflation sorgt für kräftigen Gegenwind.

Verbraucher schieben Euro-Wirtschaft an

ba Frankfurt

Die Euro-Wirtschaft ist über die Sommermonate etwas stärker gewachsen als erwartet, allerdings deutlich weniger dynamisch als zuletzt. Den Länderdaten zufolge hat insbesondere der private Konsum, vor allem dank der Corona-Nachholeffekte, dafür gesorgt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Quartalsvergleich um 0,2% zugelegt hat (siehe Grafik).

Ökonomen, die ein Plus von 0,1% erwartet hatten, sehen die Wirtschaft der 19 Euro-Länder aber über das Winterhalbjahr dennoch in der Rezession, zumal der Preisdruck hoch bleibt: Die Jahresteuerungsrate zog laut dem Statistikamt Eurostat unerwartet kräftig auf das Rekordhoch von 10,7% an. Im September waren es noch 9,9%. Energie, gefolgt von Lebensmitteln waren erneut die stärksten Preistreiber. Die Europäische Zentralbank (EZB), die erst in der vergangenen Woche einen erneuten XL-Zinsschritt von 75 Ba­sispunkten im Kampf gegen die Inflation beschlossen hatte, wird daher wohl auch in den kommenden Monaten weiter nachlegen (siehe Text auf dieser Seite).

Zugpferde der Euro-Wirtschaft waren im dritten Quartal Deutschland und Italien. Während die deutsche Wirtschaft mit einem Wachstum von 0,3% überraschte, legte das BIP in Italien mit 0,5% ebenfalls stärker als erwartet zu. Analysten hatten mit einer Stagnation gerechnet, nach einem Zuwachs von 1,1% im zweiten Vierteljahr. Für Schwung sorgten laut dem nationalen Statistikamt Istat die Dienstleistungsbereiche, wohingegen die Land- und Forstwirtschaft und Fischerei sowie die Indus­trie auf der Entwicklung lasteten. Und während die Binnennachfrage beflügelte, bremste der Außenhandel. Italiens Regierung erwartet aktuell ein Wachstum von 3,3% im Gesamtjahr. Derzeit arbeitet die neu gewählte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an ihrem ersten Haushaltsgesetz – das wohl ein höheres Staatsdefizit mit sich bringen wird.

Industrie hat zu kämpfen

Portugal zählt mit einem Plus von 0,4% zu den Ländern mit dem größten Wachstum im Quartalsvergleich. Die anderen beiden großen Euro-Volkswirtschaften – Frankreich und Spanien – weisen jeweils ein Wachstum von 0,2% aus. Geschrumpft ist hingegen die Wirtschaft in Lettland (−1,7%) sowie in Österreich und Belgien (beide −0,1%). Im Vorjahresvergleich weist allein Lettland unter den Mitgliedsländern mit −0,4% eine rückläufige Wirtschaftsleistung aus. Die Euro-Wirtschaft insgesamt legte in den Monaten Juli bis September im Vergleich zum dritten Quartal 2021 um 2,1% zu nach 4,3% im Vierteljahr zuvor.

Details liefert Eurostat bei der ersten Schnellmeldung nicht. Doch aus den bereits veröffentlichten Länderdaten zeigt sich, dass es „vor allem Corona-Nachholeffekte waren, die das BIP über Wasser hielten“, wie Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, kommentierte. Der Wegfall der meisten Corona-Schutzmaßnahmen habe in den Dienstleistungsbranchen für steigende Umsätze gesorgt, vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Veranstaltungsbranche. Mit dem Rückenwind des privaten Konsums allerdings, so erwarten Bankvolkswirte unisono, ist es nun angesichts der steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten vorbei. Das Verbrauchervertrauen liegt nahe dem Rekordtief. Die Industrie leidet nicht nur ebenfalls unter den höheren Rohstoff- und Energiepreisen, sondern immer noch unter Materialmangel und den steigenden Finanzierungskosten. In der Folge wird die Produktion gedrosselt, Investitionen werden zurückgestellt oder gänzlich aufgegeben. Hinzu kommt die globale Nachfrageschwäche, nachdem auch die Konjunktur in den USA und China schwächelt. Der Außenhandel dürfte im dritten Quartal also eher gebremst haben. Die nächsten Schätzungen für das dritte Quartal veröffentlicht Eurostat am 15. November. Destatis gibt für die deutsche Wirtschaft am 25. November weitere Details bekannt.

Jobmarkt ist Lichtblick

Für KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib ist ein Lichtblick „der robuste Arbeitsmarkt, der einen Absturz der privaten Konsumnachfrage verhindern dürfte“. Allerdings trübt sich hier die Lage ein: Das European Labour Market Barometer hat im Oktober das sechste Mal in Folge nachgegeben. Die Arbeitslosigkeit dürfte zwar leicht zulegen, die Beschäftigungsentwicklung aber dennoch positiv bleiben. „Die europäischen Arbeitsmärkte werden nicht einknicken, aber schwächer waren die Aussichten nur zu Hochzeiten der Coronakrise“, sagte Enzo Weber, der beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung für die Umfrage Zuständige.

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