Finanzen und Klimaschutz

Wir versichern Euch (nicht)!

Versicherer stehen unter Druck, sich nicht mehr im Kohle-, Gas- und Ölbereich zu engagieren. Ob das hilft, den Klimawandel zu begrenzen, ist umstritten. Nicht nur Unternehmen, auch Politik und Gesellschaft müssen handeln.

Wir versichern Euch (nicht)!

Raus aus der Kohle, Gas und Erdöl, rein in den Ausbau der erneuerbaren Energien – nur so besteht eine Chance, den Klimawandel zu mäßigen. Herrscht über dieses Ziel in Europa weitgehend Einigkeit, so ist der Weg dorthin umstritten. Finanz­akteure, nicht zuletzt die Versicherer, stehen unter Erwartungsdruck. Großprojekte wie die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder, Förderanlagen, Pipelines und Raffinerien sind ohne Risikoabdeckungen durch Versicherer kaum finanzierbar. Sofern die Branche diese Risiken nicht mehr abdeckt, verhindert sie die Förderung fossiler Energieträger und damit die Produktion von Kohlenstoffdioxid – genau das, was für die politisch gewollte Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad notwendig ist.

Tatsächlich fordert die internationale Kampagne Insure Our Future genau das: Erst- und Rückversicherer sollen sich im Kohle-, Gas- und Ölbereich nicht mehr engagieren, weder in der Versicherung noch in der Kapitalanlage. Die jährlichen Fortschrittsberichte zeigen, dass dieser Vorstoß von immer mehr Versicherern ernst genommen wird. Das gilt vor allem für Kohle, zunehmend auch für Öl und Gas. Und obwohl große Player wie Axa, Allianz, Munich Re und Hannover Re bei den Ausschlussrichtlinien besonders streng sind, decken sie nur einen Teil des entsprechenden globalen Versicherungsmarktes ab. Allerdings fallen die Ausschlussrichtlinien sehr unterschiedlich aus. Sind nur neue Projekte betroffen oder auch bestehende? Was ist mit Erweiterungen bestehender Anlagen? Werden bestehende Vertragsbeziehungen gekündigt? Oder werden lediglich auslaufende Verträge nicht mehr verlängert?

Ob der Rückzug der großen Player wirksam ist, hängt von ihrer Marktmacht ab: Sie müssen wesentliche Akteure bei der Risikotragung zum Beispiel von Pipelines oder Raffinerien sein. Umgekehrt folgt, dass ein Rückzug aus der Kohle-, Öl- und Gasbranche von kleineren Gesellschaften wenig nutzt, solange die großen Versicherer in diesen umstrittenen Geschäftsfeldern aktiv bleiben.

Die Frage ist aber auch, ob eine Abstinenz einiger weniger Versicherer die Kunden nicht in die Arme von Wettbewerbern treibt. Denn in den USA, auf den Bermudas und Asien haben sich im Vergleich zu Europa erst wenige Versicherer zu Ausschlüssen bei fossilen Energieträgern entschlossen. Allerdings: Versicherungsgeschäft in den fossilen Energieträgern erfordern Expertise, die sich nicht von heute auf morgen aufbauen lässt. Das Argument: „Wenn ich’s nicht mache, machen’s andere“, ist somit kein valides Argument, sondern nur eine bequeme Ausrede. Stärker wiegt das Argument, dass Kapitalanleger einen Wandel des Geschäfts vorantreiben sollten, anstatt sich komplett aus umstrittenen Geschäftsfeldern zu verabschieden. Als Eigner oder Fremdkapitalgeber haben Versicherer eine Chance, die Strategie von Unternehmen zu beeinflussen. Ob das tatsächlich gelingt, ist allerdings unklar. Ein Nachweis ist schwierig und bisher kaum erbracht. Also doch wieder ein vorgeschobener Grund, um lukratives Geschäft zu erhalten?

Und im Versicherungsgeschäft? So lässt sich durchaus argumentieren, dass eine Raffinerie, die zum Beispiel durch Filteranlagen „grüner“ werden will, versichert werden sollte. Das gilt auch für Unternehmen, die diesen Wandel bewerkstelligen. Wie gut sich mit grünem Geschäft leben lässt, zeigte das Beispiel der Allianz. Auf ihrer diesjährigen Hauptversammlung gab sie an, im Kohlebereich fortgefallene Einnahmen durch neue Beiträge aus dem Sektor der erneuerbaren Energien wettgemacht zu haben.

Doch selbst scheinbar klare Fälle wie die Gasförderung durch Fracking können durch aktuelle Entwicklungen unklar werden. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise beflügelt das Gas-Fracking in den USA und führt zum Bau neuer Flüssiggasterminals in Deutschland. Zur kurzfristigen Deckung des Energiebedarfs erscheint das unvermeidlich. Aber wenn die Kapazitäten erstmal vorhanden sind, werden sie auch langfristig genutzt – was den Druck zum Ausbau erneuerbarer Energien reduziert. Sollten die Terminals also versichert werden? Eigentlich nicht. Letztlich muss es politische Vorgaben und Regulierung geben. Die Staaten und damit die Gesellschaft müssen entscheiden, wie der Klimawandel gestoppt werden soll. Es reicht nicht, auf die Entscheidungen einzelner Unternehmen zu warten. Politik und Gesellschaft müssen handeln, und zwar jetzt – ganz nach dem Motto der am 6. November beginnenenden Klimakonferenz COP27.

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