Kampf gegen Wohnungsmangel

500.000 Euro gegen den Leerstand

Wohnungsmangel in deutschen Städten: Hessen plant Leerstandsgesetz, um spekulativen Leerstand zu reduzieren. Ziel ist die Rückführung von Wohnungen auf den Markt.

500.000 Euro gegen den Leerstand

500.000 Euro gegen den Leerstand

Bezahlbarer Wohnraum bleibt in Ballungsräumen Mangelware.
Daran wird auch ein neues hessisches Leerstandsgesetz nichts ändern.

Von Thomas List, Wiesbaden

Wer in den deutschen Ballungsräumen eine Wohnung sucht, ist arm dran. Mehrere hundert Bewerbungen für eine neu angebotenen Wohnung sind eher die Regel als die Ausnahme. So geht das schon seit Jahren. Es muss mehr gebaut werden, fordert die Politik und setzt sich Ziele: Die Bundesregierung nahm sich 400.000 Wohnungen vor. Die Zahl wurde nie erreicht, ja sie wurde krachend verfehlt. 2024 dürften es bundesweit nur etwas mehr als 200.000 gewesen sein, nochmals deutlich weniger als 2023.

Mühsame Alternativen

Da andere Wege wie Nachverdichtungen und die Entschlackung von (Landes-) Bauordnungen nur mühsam durchsetzbar sind, versucht es Hessen nun mit einem Leerstandsgesetz. „Ich will die Spekulation im Wohnungsbereich eindämmen“, sagte Wohnungsbauminister Kaweh Mansoori am 24. Januar bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs. Wie groß dieser spekulative Leerstand ist – man weiß es nicht so genau.

Immerhin gibt es den Zensus 2022, nach dem zum Stichtag am 15. Mai 2022 3,9% der hessischen Wohnungen leer gestanden haben. Das sind mehr als 122.000 Wohnungen, davon über die Hälfte seit mehr als einem Jahr. Allerdings: Viele dieser Wohnungen befinden sich auf dem Land und mithin nicht in den großen Städten und ihrem Umland.

Gesetz ist kein Selbstgänger

Und das Leerstandsgesetz ist auch kein Selbstläufer. Das Gesetz sieht lediglich eine Ermächtigung (und keine Pflicht) für Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten – das sind in Hessen 49 – vor, eine Leerstandssatzung zu verabschieden. Durch sie soll der Leerstand auf maximal sechs Monate begrenzt werden.

Einen längeren Leerstand müssen sich die Eigentümer bei der Stadt genehmigen lassen. Die solls nur geben bei schutzwürdigen privaten Interessen wie laufenden Sanierungen, einer beantragten (Um-) Baugenehmigung, Erbauseinandersetzungen und zum Beispiel Einliegerwohnungen. Wer sich nicht an das Leerstandsverbot hält, muss mit einem Bußgeld von maximal 500.000 Euro rechnen.

Nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand

Klar ist: Das ist alles ist mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden. Das gab auch der Wiesbadener Oberbürgermeister, Gert-Uwe Mende bei der Pressekonferenz zu. Eine Stadt müsse sich genau überlegen, ob sie das wolle. Für die Landeshauptstadt nannte er einen Leerstand von 5.000 Wohnungen, 3,3% des Bestandes und damit etwas unter Landesschnitt. Gehe man auch hier von 50% spekulativem Leerstand (über ein Jahr) aus, könnten rund 2.500 Wohnungen wieder dem Markt zugeführt werden. Angesichts des städtischen Ziels, jedes Jahr 1.200 Wohnungen neu zu errichten – 2021 bis 2023 wurde dieses Ziel um jeweils 200 Wohnungen übertroffen, 2024 aber vermutlich unterschritten – wären 2.500 Wohnungen nicht zu vernachlässigen.

Mende dürfte sich durch das Leerstandessgesetz nicht zuletzt auch Unterstützung im laufenden Wahlkampf zum Oberbürgermeister versprechen. Er stellt sich am 9. bzw. 30. März zur Wiederwahl. Gegner von Neubaugebieten wie dem Ostfeld verweisen immer wieder gerne auf Alternativen wie Nachverdichtungen, aber eben auch dem Verfall Preis gegebenen Wohngebäuden. Da musste Mende sagen: Mir fehlt die Rechtsgrundlage, um diesen Leerstand zu bekämpfen.

Minister versucht Zweifel zu zerstreuen

Zweifel an dem Vorhaben versuchte Minister Mansoori durch Verweis auf die zwölf anderen Bundesländer zu zerstreuen, die bereits über solche Regelungen verfügten. So könne München jährlich eine hohe dreistellige Anzahl an Wohnungen dem Markt zurückgeben. Dem befürchteten Verwaltungsmoloch trat er mit Verweis auf die ja wohl überwiegend gesetzestreuen Bürger, die ihrer Meldepflicht folgen würden, entgegen. Das Gesetz werde sich „von selbst vollziehen“. Schließlich gelte: Entscheide die Verwaltung nicht innerhalb von drei Monaten über den Antrag, gilt er als genehmigt.

Ob das alles reicht, um hier nicht ein unnötiges Fass aufzumachen, wird sich erst weisen müssen. Es wird interessant sein zu beobachten, welche der 49 Kommunen letztlich eine Leerstandssatzung beschließen und welche Erfahrungen sie damit machen. Nennenswert wird sich der Mietwohnungsmarkt nur entspannen, wenn viel mehr neu gebaut wird. Das musste auch Mansoori zugeben.

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