Adieu Paris
Die globalen Kohlendioxidemissionen sind 2021 umfangreicher gewesen denn je. Aus der Verbrennung fossiler Energieträger stiegen laut IEA mehr als 36 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre auf – rund 6% mehr als 2020. Grund dafür war die rasante wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie. Der Ausbau erneuerbarer Energien konnte mit dem Aufschwung nicht Schritt halten – und die Lücke wurde gefüllt durch ein furioses Comeback der Kohle in Europa, den USA und China.
Jetzt hat die Welt andere Sorgen. Unternehmen sind mit einem Energiepreisschock konfrontiert, den der Krieg Russlands gegen die Ukraine auslöst. Bisher galten Klimaschutz und Versorgungssicherheit als zwei widerstreitende Ziele. Da Erneuerbare künftig russisches Gas ersetzen sollen, gehört beides ab jetzt untrennbar zusammen.
Verständlicherweise wird der blutige Konflikt derzeit als dringlicherer Notfall angesehen als der Klimawandel. Dabei ist die beschleunigte Erderwärmung eine nahezu ebenso bedrohliche Krise, die auch als solche behandelt werden sollte – auch wenn sich die Folgen erst in Jahren voll ausgeprägt zeigen werden.
In den meisten oberen Etagen der Konzerne ist diese Einsicht – trotz vieler gegenteiliger Beteuerungen – noch nicht angekommen. Das zeigen die jüngsten Daten der globalen Umweltdatenbank Carbon Disclosure Projects (CDP), einer Nichtregierungsorganisation, die regelmäßig die Klimaziele Tausender Unternehmen untersucht.
Das jüngste Ergebnis: Nur 16 % von 1220 großen und überwiegend börsennotierten europäischen Unternehmen haben bislang Klimaschutzpläne, die vereinbar mit dem Ziel der Weltklimakonferenz von Glasgow und des Pariser Vertrags sind, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Immerhin 50 deutsche Unternehmen – darunter Vorreiter wie Bosch, BMW oder SAP – haben ein solches Ziel. Aber unter den deutschen Adressen, denen CDP nur ein „F“-Rating zugesteht, sind durchaus auch größere. Von der Aareal Bank über Ceconomy und Fraport bis zu Hellofresh gibt es viele Firmen, die bisher überhaupt kein wissenschaftlich fundiertes Klimaziel an CDP übermittelt haben.
Ganz zu schweigen vom tatsächlichen Handeln: Bereinigt um pandemiebedingte Verringerungen liegen die CO2-Einsparungen laut CDP bei nur 1,5 % pro Jahr. Um im Einklang mit dem Pfad des Pariser Klimaziels zu stehen, müssten es jedoch 4,2 % sein. Wer seinen Weg zum Klimaziel konkret beschreibt, sollte gelobt werden. Wer es nicht tut, gehört an den Pranger. (Börsen-Zeitung,