Aktien sind die Zukunft für Rentner
Von Angela Wefers, Berlin
Ein ungelöstes Thema der alten Legislaturperiode steht nach der Bundestagswahl sicher wieder auf der Agenda: eine über den Kapitalmarkt organisierte ergänzende private Altersvorsorge. Die von der rot-grünen Regierung vor zwei Dekaden eingeführte Riester-Rente samt nachgelagerter Besteuerung und staatlicher Zulage für geringe Einkommen ist ein Modell ohne Zukunft. Seit Jahren stagniert die Zahl der Verträge – bestenfalls. Hohe Verwaltungskosten, niedrige Renditen und ein zu komplexes Verfahren sind die Hauptkritikpunkte. Ohne funktionierende zusätzliche Vorsorge wird die alternde Gesellschaft allein mit dem gesetzlichen Umlageverfahren die steigende Zahl von Rentnern nicht absichern können. Schon heute fließen jährlich rund 115 Mrd. Euro Steuergelder, rund ein Drittel des Bundeshaushalts, als Zuschuss in die gesetzliche Rente. Sie schließen die Lücke, die nicht durch Beiträge gedeckt ist.
Brüchige Haltelinie
Nur bis 2025 reicht aktuell die sogenannte doppelte Haltelinie, eine politische Garantie, das Sicherungsniveau vor Steuern nicht unter 48% sinken und den Beitragssatz nicht über 20% steigen zu lassen. Prognosen zeichnen ein düsteres Bild: Das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln hatte unlängst in einer Studie prognostiziert, dass ohne umfassende Reformen der Beitragssatz bis 2060 von heute knapp 19% auf knapp 24% zulegen würde, während das Sicherungsniveau von gut 49% auf rund 44% des Bruttoeinkommens sinken würde. Stellschrauben im Rentensystem sind Beitragshöhe, Leistungsniveau und Lebensarbeitszeit. Eine weitere Senkung des Leistungsniveaus wäre politisch unpopulär. Problematisch wären auch Beitragssteigerungen. Sie belasten die Wirtschaft, die die Rente zur Hälfte mitfinanziert und wiederum für Beschäftigung und damit Beitragsaufkommen sorgt. Rentenexperten sehen keine Alternative zu einer längeren Lebensarbeitszeit als Folge der höheren Lebenserwartung, wenn die Rente finanzierbar bleiben soll. Kaum einer wagt dies jedoch vor der Bundestagswahl klar auszusprechen. Während SPD und Grüne am Renteneintrittsalter von 67 Jahren festhalten (bis 2031 ist dies umgesetzt) und die Linke es sogar wieder auf 65 Jahre senken will, propagiert die FDP einen flexibleren Eintritt beginnend bei 60 Jahren. Die Liberalen wollen aber die Zuverdienstgrenzen abschaffen, während schon Teilrenten fließen, um damit Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit zu geben. Die Union bleibt unkonkret. Parteien wie SPD, Grüne oder Linke setzen zur Finanzierung der Versorgung im Lebensabend auf zusätzliche Zahlergruppen wie Selbständige oder Besserverdienende. Diese höheren Beitragseinnahmen stopfen kurzfristig Finanzlöcher, lassen aber außer Acht, dass die Zahler damit auch Ansprüche generieren.
Den Weg aus dem politischen Dilemma würde die kapitalgedeckte Altersvorsorge bieten, wie sie ursprünglich in der Riester-Rente angelegt wurde. Die große Koalition hatte sich zu Beginn der Legislatur darauf verständig, die Riester-Rente zu reformieren. „Es ist ein Dialogprozess mit der Versicherungswirtschaft anzustoßen mit dem Ziel einer zügigen Entwicklung eines attraktiven standardisierten Riester-Produkts“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Finanzbranche und Wissenschaft hatten konkrete Vorschläge geliefert. Geschehen ist aber: nichts.
Renditen beflügeln
Der Höhenflug des Aktienmarkts beflügelt nun auch die Neigung der Parteien, diese Rendite auch für Rentner zu sichern. In den Wahlprogrammen der Parteien finden sich reichlich Vorschläge, wie die Rente durch kapitalgedeckte Elemente ergänzt werden könnte. Grüne und Liberale haben konkrete Vorstellungen. Die FDP will eine gesetzliche Aktienrente einführen. Bis zu 2 Prozentpunkte des Beitragssatzes sollen in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge fließen und über die Rendite am Kapitalmarkt ein höheres Versorgungsniveau realisieren. Gleichwohl entsteht eine Finanzierungslücke. Werden die Mittel von den Beiträgen abgezweigt, fehlen sie aktuell der Rentenkasse. Alternativ müsste der Beitrag steigen – ein ebenfalls ungewollter Effekt.
Bürgerfonds im Visier
Auch die Grünen haben konkrete Vorstellungen. Sie wollen die Riester-Rente durch einen öffentlich verwalteten, nachhaltig investierenden Bürgerfonds ersetzen. Die Förderung der privaten Altersvorsorge über Zulagen wollen sie auf niedrige und mittlere Einkommen „fokussieren“. Geplant ist ein Opt-out – nur wer aktiv widerspricht, zahlt nicht ein. Von dem zu erwartenden großen Volumen versprechen sich die Grünen geringe Verwaltungskosten und breit gestreute Risiken. Teure Garantien, die heute auf der Riester-Rente lasten, seien damit entbehrlich. Bei der Union finden sich Ansätze für eine „Generationenrente“. Die Partei wird aber wenig konkret. Sie will einen Pensionsfonds prüfen, der vor staatlichem Zugriff geschützt ist.
Aus der Wissenschaft kommen klare Empfehlungen für ein standardisiertes kapitalgedecktes Altersvorsorgeprodukt neben der gesetzlichen Rente. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW verweist auf erfolgreiche Vorbilder aus dem Ausland – etwa aus Schweden. ZEW-Präsident Achim Wambach erwartet positive Wettbewerbseffekte, weil ein Standardprodukt Markttransparenz fördern und teure Produkte verdrängen würde. Positiver Nebeneffekt eines staatlichen Fonds wäre es, Wachstumskapital für aufstrebende, junge Unternehmen bereitstellen zu können. Vor allem Unternehmen, die nicht börsenreif sind, haben Bedarf. Dazu gehört auch eine Reform der Anlagerichtlinien, die immerhin die FDP ins Auge fasst.