Sondierungsgespräche

Ampel nimmt die nächste Hürde

Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP haben den Parteigremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfohlen. Zuvor hatten sich die Sondierungsteams auf ein Ergebnispapier geeinigt, das in der Finanzpolitik die Handschrift der FDP trägt.

Ampel nimmt die nächste Hürde

sp/Reuters Berlin

Die erste Ampelkoalition im Bund nimmt konkrete Formen an. Am Freitag empfahlen die Spitzen von SPD, Grünen und FDP ihren Parteigremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen, die bereits in der neuen Woche starten könnten. Zuvor hatten die Sondierungsteams die Ergebnisse der Dreiergespräche aus der zurückliegenden Woche in einem zwölf Seiten langen Papier zusammengefasst, das in Sachen Finanzpolitik die Handschrift der FDP trägt und von Ökonomen mit guten Noten bewertet wurde, auch wenn Details zur Finanzierung offenblieben. Spitzenvertreter der Wirtschaft zeigten sich vor allem über die Absage an Steuererhöhungen erleichtert, die die FDP vor dem Start der Sondierungen als „rote Linie“ definiert hatte. Die Einführung von Superabschreibungen für Klimaschutzinvestitionen, für die sich vor allem die Grünen eingesetzt hatten, stieß ebenfalls auf Zustimmung. Kritik aus der Wirtschaft gab es unter anderem an den Plänen für eine Anhebung des Mindestlohns, mit der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkampf geworben hatte.

Parteigremien sind am Zug

Die SPD-Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, FDP-Chef Christian Lindner sowie die Grünen-Co-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck schlugen ihren Parteien übereinstimmend den Einstieg in Koalitionsgespräche vor. Die Grünen wollen am Sonntag ein Votum des Länderrates für Koalitionsgespräche einholen. Bei der SPD muss der Parteivorstand und bei der FDP sollen am Montag die Gremien grünes Licht geben. Scholz sagte bei dem gemeinsamen Auftritt der Parteichefs, dass er eine neue Bundesregierung vor Weihnachten bilden wolle.

„Es ist völlig klar, dass es Zumutungen gibt“, sagte Grünen-Co-Chef Habeck nach den Gesprächen mit Blick auf die gefundenen Kompromisse der Ampelparteien. So habe man auf die von der FDP abgelehnten Belastungen durch Steuererhöhungen verzichtet und trotzdem genug Investitionsspielraum geschaffen. Der hohe Finanzbedarf etwa für Klimainvestitionen war einer der großen Streitpunkte im Wahlkampf gewesen, in dem SPD und Grüne für höhere Steuern für Gutverdienende plädiert hatten. Die FDP hatte sie abgelehnt.

„Wir sind überzeugt nach den Gesprächen, dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren“, sagte FDP-Chef Lindner. „Allein dieser Stil markiert schon eine Zäsur in der politischen Kultur Deutschlands“, fügte er mit Blick auf die Gespräche hinzu. Habeck sprach von einem „Glutkern der gesellschaftlichen Modernisierung“, SPD-Co-Chef Walter-Borjans von dem Respekt der drei Parteien füreinander.

Finanzminister Scholz wies Bedenken zurück, dass viele der Projekte wie ein 10 Mrd. Euro Zuschuss aus dem Haushalt für den Einstieg in eine teilweise kapitalgedeckte Rentenversicherung in 2022 nicht finanziert werden könnten. Es „besteht der fiskalische Spielraum für das, was notwendig ist“, betonte er auf die Frage der Finanzierbarkeit der von allen drei Parteien betonten notwendigen Investitionen. Dazu sollen auch „überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben“ überprüft werden, heißt es im Papier mit den Sondierungsergebnissen. Ökonomen äußerten allerdings Zweifel, dass das zur Finanzierung der skizzierten Investitionsvorhaben reichen wird, und rechnen damit, dass eine Ampelkoalition im nächsten Jahr, in dem die Schuldenbremse in Folge der Corona-Pandemie noch einmal ausgesetzt werden soll, zusätzliche Schulden für künftige Investitionen aufnehmen wird.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt übten scharfe Kritik an dem Kompromisspapier des Sondierungsteams. Ziemiak sprach von einem „kunterbunten Wunschzettel mit vielen großen Worten und noch mehr Fragezeichen“. Die Vorhaben seien nicht finanziert. „Die Ampel steht deutlich auf Rot: Steuererhöhungen für Millionen Bürger durch die Abschaffung sogenannter Subventionen und eine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa“, teilte Dobrindt mit. Auch der Wohlfahrtsverband kritisierte die Beschlüsse.

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