Ampel verschafft sich Finanzierungsspielraum
sp Berlin
Die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will ungenutzte Kredite in Höhe von 60 Mrd. Euro, die ursprünglich für die Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie freigegeben wurden, für künftige Investitionen in den Klimaschutz und die klimafreundliche Transformation des Wirtschaftsstandorts nutzen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, dass der Nachtragshaushalt für 2021, den das Kabinett am Montag beraten wird, die Übertragung von Kreditermächtigungen in diesem Umfang auf den bisherigen Energie- und Klimafonds (EKF) vorsieht, der künftig als Klima- und Transformationsfonds (KTF) firmieren soll. Zuvor hatte Lindner als erstem dienstlichen Termin im neuen Amt an der Sitzung des Stabilitätsrats zur Überprüfung der deutschen Staatsfinanzen teilgenommen.
Umstrittene Staatspraxis
„Wir sind der Auffassung, das ist mit der Schuldenregel vereinbar“, hieß es laut Reuters in Regierungskreisen mit Blick auf die Übertragung der Kreditermächtigungen auf den Fonds. Rein technisch sei man denselben Weg mit einem Zuschuss an den EKF 2020 schon einmal gegangen. Seinerzeit habe es aus der Union, der damaligen Regierungspartei, keine Kritik daran gegeben, hieß es mit Blick auf nun laut gewordene Missbilligung des Verfahrens. Die FDP tadelte das Vorgehen damals heftig. „Das Vorgehen der Bundesregierung entspricht der Staatspraxis“, betonte Lindner. Wegen der Corona-Pandemie seien Investitionen im öffentlichen und privaten Sektor zuletzt ausgeblieben, was auch die Einhaltung der Klimaziele verzögern könne. Diese Investitionen wolle man mit den Mitteln aus dem KTF auffangen. „Es wäre nicht möglich, das über einen Haushalt zu leisten, erst recht unter den Bedingungen der Pandemie. Deshalb treffen wir jetzt Vorsorge.“
Die vom Bundestag für 2021 bewilligte Neuverschuldung von bis zu 240 Mrd. Euro werde nicht überschritten. „Es wird also keine zusätzliche Verschuldung geben“, sagte Lindner. Dennoch muss der Bundestag mit Kanzlermehrheit den Beschluss zur Aussetzung der Schuldenbremse für 2021 erneuern, wie nach Angaben von Reuters aus der Kabinettsvorlage hervorgeht. Demnach heißt es in dem Beschlussentwurf für die Kabinettssitzung am Montag, dass die laut Grundgesetz zulässige Kreditobergrenze um rund 207 Mrd. Euro überschritten wird. Lindner bekräftigte, dass die Bundesregierung ab 2023 die Schuldenbremse im Bundeshaushalt wieder einhalten werde. Zum Jahr 2022 äußerte er sich nicht.
Kritik kam vom unabhängigen Beirat des Stabilitätsrates. Die Auswirkungen der Pläne der Ampel-Regierung auf die Haushaltslage könnten noch nicht richtig abgeschätzt werden, weil vieles nicht spezifisch und noch kein Finanzbedarf dafür ermittelt worden sei. „Insgesamt ist aber von deutlich höheren gesamtstaatlichen Ausgaben auszugehen“, hieß es in der Stellungnahme des Beirats. Es sei daher zweifelhaft, ob 2024 die Vorgaben zum strukturellen Defizit wieder eingehalten werden könnten. Eigentlich gebe es auch 2022 keine außergewöhnliche Notsituation.
Der Beirat warnte vor einer Aushöhlung der deutschen Schuldenbremse, die ab 2023 wieder greifen soll. Skeptisch sind die Wissenschaftler vor allem wegen der möglichen Übertragung staatlicher Aufgaben auf öffentliche Unternehmen und der Nutzung der Krise, um spätere Investitionen vorzufinanzieren.