Arbeitslosigkeit steigt erstmals seit sieben Jahren

Coronakrise belastet Jobmarkt - Debatte über Staatshilfe für Neueinstellungen

Arbeitslosigkeit steigt erstmals seit sieben Jahren

Erstmals seit 2013 registriert die Bundesagentur für Arbeit (BA) wieder eine steigende Arbeitslosigkeit. Der Lockdown sorgt zudem für eine steigende Zahl an Kurzarbeitern. BA-Chef Scheele und Bundesarbeitsminister Heil sind dennoch optimistisch, dass sich der Arbeitsmarkt in der zweiten Jahreshälfte erholt.ast Frankfurt – Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder gestiegen. Im Jahresdurchschnitt legte sie um 429 000 auf knapp 2,7 Millionen Arbeitslose zu. Im Dezember blieb der Arbeitsmarkt weitgehend stabil. Für den letzten Monat meldete die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag in Nürnberg 8 000 Arbeitslose mehr als im November. “Die Zahl der arbeitslosen Menschen ist im Dezember gestiegen – aber nicht so stark wie sonst in diesem Monat”, kommentierte BA-Chef Detlef Scheele die aktuellen Zahlen: “Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist eigentlich ganz gut, wenn man bedenkt, was für ein Jahr wir hinter uns haben.”Scheele sprach bei der Präsentation der Zahlen von einem Wettlauf zwischen Infektionsgeschehen und Impfungen. Nach derzeitigem Stand geht er davon aus, dass sich das Geschehen in der zweiten Jahreshälfte beruhigen wird. Dennoch dauere es noch bis zu einer vollständigen Erholung. “Ich setze aufs Impfen, klar”, sagte Scheele. Dies könne sich im Sommer und im zweiten Halbjahr auf dem Arbeitsmarkt zeigen: “Wir gehen davon aus, dass wir das Vorkrisenniveau erst Mitte 2022 wieder erreichen werden.” Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zeigte sich zuversichtlich. “Ich sehe die realistische Chance, dass sich die Wirtschaft ab dem Sommer 2021 wieder erholt und deutlich an Fahrt gewinnt”, sagte Heil. Mehr KurzarbeitInzwischen zeigen sich auch die ersten Folgen des erneuten Lockdowns, der allerdings aufgrund des Stichtags Mitte Dezember noch nicht vollständig in den Daten abgebildet wird. Demnach haben die Anzeigen für Kurzarbeit wieder zugenommen – jedoch nur in begrenztem Umfang. Die Statistiker zählten 666 000 Anzeigen für Kurzarbeit, etwa 40 000 mehr als im November. Die tatsächliche Anzahl der Kurzarbeiter kann jedoch variieren, da viele Unternehmen sicherheitshalber mehr Kurzarbeit anzeigen. “Die Nachfrage der Betriebe stabilisiert sich auf einem niedrigeren Niveau”, sagte Scheele.Experten warnen allerdings davor, die relativ milden Folgen der Corona-Pandemie für den Arbeitsmarkt zu gelassen zu sehen. Zwar sei Deutschland gerade im Vergleich mit anderen europäischen Volkswirtschaften verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass Hunderttausende aufgrund der Pandemie ihren Job verloren hätten. Fabian Seus, Arbeitsmarktexperte des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), warnt angesichts der aktuellen Zahlen: “Die Arbeitslosigkeit darf sich nicht wieder verfestigen. Es muss alles getan werden, dass diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, die Chance bekommen, möglichst schnell wieder eine neue Anstellung zu finden.” Die Politik müsse daher die Hürden senken, die Neueinstellungen erschwerten, und keine weiteren Eingriffe bei Zeitarbeit und Werkverträgen vornehmen, so Seus weiter.BA-Chef Scheele sprach sich gegen eine staatliche Förderung für Neueinstellungen aus. Der aktuelle Stand sei nicht so besorgniserregend, dass die Regierung weiter intervenieren müsse. Allerdings prognostiziert Scheele eine langsame Erholung, da zunächst die Kurzarbeit zurückgefahren werde, bevor neue Mitarbeiter eingestellt würden. Keine Zombie-Gefahr”Die Diskussion über die Frage, ob es unheimlich viele Zombie-Unternehmen in diesem Land gibt, geht aber an der Sache vorbei”, betonte Scheele: “Wenn das so wäre, müsste die Arbeitslosigkeit steigen.” Und er fügte hinzu: “Kurzarbeit hat wirklich das erreicht, was sie erreichen sollte: Sie hat die Menschen in Arbeit gehalten.” Bislang bewegt sich die Zahl der Insolvenzanträge mit 12 000 in etwa auf dem Vorjahresniveau.Bereits am Montag hatte das Statistische Bundesamt (Destatis) den ersten Rückgang der Erwerbstätigenzahl seit der Weltfinanzkrise 2008/2009 gemeldet. Neben Corona sehen Experten hier auch den demografischen Wandel als Grund. Zudem ist der Wanderungssaldo – die Differenz zwischen den Zuzügen nach Deutschland und den Fortzügen ins Ausland – deutlich niedriger ausgefallen, als erwartet worden war. Auch dürfte die Arbeitszeit je Beschäftigten sinken, etwa durch eine höhere Teilzeitquote älterer Beschäftigter.