Auf die Wartung folgt das Warten
BZ
„Wir gehen davon aus, dass (…) das Gas wieder in vollem Umfang fließen wird, dass Russland sich diesbezüglich also an seine Verpflichtungen halten wird“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch zum absehbaren Ende der Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1. Tatsächlich wurden für Donnerstagmorgen zum ersten Mal seit zehn Tagen wieder Gaslieferungen durch die Pipeline nach Westeuropa angekündigt, wie aus den Angaben des Netzwerkbetreibers Gascade hervorgeht. Demnach steigen die sogenannten Nominierungen, die während der jährlichen Wartung von Nord Stream 1 seit Montag der vergangenen Woche auf null gefallen waren, am Donnerstag ab 6.00 Uhr früh wieder an. In den ersten beiden Stunden waren 787 Megawattstunden Gas am Punkt Lubnin II nominiert und für die Folgestunden jeweils mehr als 12 Gigawattstunden.
Dass Russland den Gashahn wieder voll aufdreht und die vertraglich zugesicherten Mengen nach Westeuropa liefert, erwartet in der Bundesregierung freilich niemand. Denn spätestens seit Mitte Juni, als der russische Energiekonzern Gazprom den Gasfluss durch Nord Stream 1 auf 40% drosselte und das mit fehlenden Ersatzteilen als Folge der westlichen Sanktionen begründete, ist klar, dass der Kreml die Abhängigkeit Westeuropas von russischem Gas im Krieg gegen die Ukraine und ihre Verbündeten als Waffe einsetzt.
Der Anteil russischer Gaslieferungen am Verbrauch in Deutschland, der früher im Mittel bei 55% lag, sank bis Ende Juni auf 26%, heißt es im „Dritten Fortschrittsbericht Energiesicherheit“, den das Bundeswirtschaftsministerium am Mittwoch vorgelegt hat. Bis Ende des Jahres soll der Anteil auch in der Heizperiode auf etwa 30% reduziert werden. Unabhängigkeit von russischem Gas könne „in einem gemeinsamen Kraftakt“ bis Sommer 2024 weitgehend erreicht werden.