LEITARTIKEL

Auf Orientierungssuche

Die Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat bei aller Kritik eines geschafft. Hierzulande wird wieder über Wirtschaftspolitik diskutiert. Das Bundeswirtschaftsministerium war über die Jahre zu einer Mammutbehörde...

Auf Orientierungssuche

Die Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat bei aller Kritik eines geschafft. Hierzulande wird wieder über Wirtschaftspolitik diskutiert. Das Bundeswirtschaftsministerium war über die Jahre zu einer Mammutbehörde für undurchschaubare Energiepolitik und kleinteilige Wirtschaftsförderung mutiert. Große ordnungspolitische Debatten sind indessen nicht mehr geführt worden, seit Ludwig Erhard, Karl Schiller und Otto Graf Lambsdorff von CDU, SPD und FDP an der Spitze des Hauses standen. Den erhofften Glanz hat Altmaier dem Haus nicht zurückgegeben, seit die CDU das Ressort wieder führt. Vielmehr kommt die Energiewende zu langsam voran, oder die erhoffte Mittelstandsoffensive steht aus. Aus der Wirtschaft hagelt es ungewöhnlich offene Kritik, besonders seit Altmaier den Entwurf einer nationalen Industriestrategie enthüllt hat. Der Minister der Wirtschaftspartei CDU hat den ordnungspolitischen Kompass verloren. Das Streben nach einer willkürlich gesetzten Industriequote, das Bekenntnis zu nationalen Champions mit politischer Bestandsgarantie, die Gründung eines staatlichen Beteiligungsfonds zur Intervention bei unerwünschten Auslandsinvestments sowie die Lockerung der europäischen Fusionskontrolle sind Instrumente aus dem staatsinterventionistischen Lehrbuch. Nur wenn der Markt versagt, darf der Staat einspringen. Der Wirtschaftsflügel der Union überarbeitet nun die Industriestrategie. Er hat alle Chancen, der Partie Richtung zu geben und ihren Ruf zu retten.Wettbewerbshüter sind durchaus in der Lage, einen relevanten Markt über Deutschland und Europa hinweg abzugrenzen. Ein Zusammenschluss wie der von Siemens und Alstom ist nicht am engstirnigen Blick der Kartellwächter gescheitert. Illusorisch ist es auch, mit einem staatlichen Beteiligungsfonds deutsche Firmen vor chinesischen oder anderen ausländischen Investoren zu retten. Hat Altmaier wohl schon einmal einen Blick auf die ausländische Eigentümerschaft von Dax-Unternehmen geworfen? Eine Beteiligung muss auch wieder verkauft werden können. Wie schwer der Exit sein kann, zeigt sich an der Commerzbank-Beteiligung des Bundes – auch das Resultat einer Rettungsaktion. Dabei ist es durchaus richtig, dass die deutsche Wirtschaftspolitik eine Position in einer globalisierten Welt entwickelt, in der zunehmend Abschottung statt freier Welthandel herrschen und interventionistische Volkswirtschaften sich nicht (mehr) an internationale Spielregeln halten. Das deutsche Bekenntnis zum Multilateralismus ist die richtige Antwort. Vor allem aber ist es auch ein moderater Umgang mit der Investitionsprüfung bei Geldgebern aus EU-Drittländern. Wer wie deutsche Unternehmen auf Zugang zu offenen Märkten angewiesen ist, darf sich nicht selbst abschotten.Gute Wirtschaftspolitik zeigt sich vor allem in guten Rahmenbedingungen für einen Standort. Der Blick von außen hilft: Hohe Energiekosten, die schlechte Qualität der digitalen Infrastruktur, verbesserungsbedürftige Bedingungen für Start-ups sowie die starke Unternehmensbesteuerung hatten US-Unternehmen in Deutschland jüngst bei einer Umfrage der Handelskammer AmCham als schlechteste Standortfaktoren hervorgehoben. Nicht alles davon liegt in Altmaiers Zuständigkeit. Die digitale Infrastruktur verantwortet auch Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), die Unternehmensbesteuerung liegt bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Dabei hat Altmaier konkrete wirtschaftspolitische Vorstellungen: Die Sozialausgaben will er langfristig unter 40 % fixiert wissen, und der Solidaritätszuschlag soll komplett fallen. Leider hat die Union versäumt, diese Forderungen in den Koalitionsverhandlungen 2018 bei der SPD durchzusetzen. Da kann Altmaier viel fordern. Bewirken wird er wenig. Schon die von der Wirtschaft händeringend erwartete Einführung einer steuerlichen Forschungsförderung ist politisch eine Goodwill-Aktion von Scholz. Die Novelle gehört nicht zu den prioritären Maßnahmen, die garantiert umgesetzt werden.—–Von Angela WefersPeter Altmaier hat mit seiner Industriestrategie den ordnungspolitischen Kompass der Wirtschaftspartei CDU verloren.—–