Auftragsabo der Industrie endet
ba Frankfurt
Die Auftragsflut der deutschen Industrie ist im Februar unerwartet abgebrochen. Die Unternehmen sammelten vor allem wegen einer schwächeren Auslandsnachfrage preis-, saison- und kalenderbereinigt 2,2% weniger Bestellungen ein als im Vormonat. Ökonomen hatten nach drei kräftigen Anstiegen in Folge zwar einen Rückprall prognostiziert, allerdings nur um 0,2%. Wegen der Unsicherheiten infolge des Ukraine-Kriegs und des wieder zunehmenden Lieferkettenstresses erwarten sie zudem für die kommenden Monate weitere Rückschläge.
Sowohl Ökonomen als auch das Bundeswirtschaftsministerium relativieren dabei das Auftragsminus. Die Orderzahlen liegen „immer noch auf einem sehr hohen Niveau“, erläuterte etwa der DWS-Chefvolkswirt Europa Martin Moryson. Im Vorjahresvergleich sind sie arbeitstäglich bereinigt um 2,9% gestiegen und gegenüber dem vierten Quartal 2019, dem letzten vor der Corona-Pandemie, haben sie um mehr als 10% zugelegt. Zudem wurden die Januardaten nach oben revidiert: Statt 1,8% kletterten die Bestellungen zum Vormonat um 2,3%.
Der Nachholbedarf in Konsum und Produktion und damit Nachfrage nach deutschen Maschinen und Konsumgütern ist Moryson zufolge „reichlich vorhanden“. Nur komme die deutsche Industrie mit der Produktion wegen des Mangels an Vorprodukten nicht hinterher. Jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) zufolge ist der Auftragsstau so hoch wie nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015: Bei gleichbleibendem Umsatz und ohne Neubestellungen benötige die Industrie 7,8 Monate, um die bereits vorliegenden Aufträge abzuarbeiten. „Vielleicht haben einige Besteller es vor diesem Hintergrund auch erst einmal aufgegeben, immer neue Güter zu bestellen, und warten ab, wie sich die Lage weiter entwickelt“, vermutet Moryson.
Volle Bücher helfen nicht
Allerdings, so mahnt Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, müssten wir „gerade lernen, dass die deutsche Wirtschaft auch mit proppenvollen Auftragsbüchern in die Rezession rutschen kann“. Die Unternehmen schätzen den weiteren Geschäftsverlauf deutlich schlechter ein, wie die jüngsten Entwicklungen der Einkaufsmanagerindex und des Ifo-Geschäftsklimas zeigen. „Im gegenwärtigen Umfeld von Krieg, Materialknappheiten und steigenden Zinsen wächst auch das Risiko von Stornierungen“, betonte Gitzel.
Solange Rohstoffe und Vorprodukte fehlten, werde „der Auftragseingang immer mehr zu einer Größe ohne praktische Relevanz“, sagte Gitzel. Denn trotz guter Auftragslage war die Industrieproduktion im vergangenen Jahr „über weite Strecken ein Trauerspiel“. Die Situation hat sich mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges nochmals verschärft. Den deutschen Autobauer etwa fehlen die in der Ukraine produzierten Kabelbäume. Der Automobilverband VDA hat daher auch am Dienstag die Prognose bei der Inlandsfertigung für 2022 kräftig von +13% auf +7% nach unten geschraubt. VDA-Präsidentin Hildegard Müller warnte zugleich, dass weitere Abwärtsrevisionen möglich seien bei einer „Ausweitung der Sanktionen gegenüber Russland und zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren, wie mögliche Produktionsausfälle in China in Folge der Null-Covid-Strategie“. Laut einer Ifo-Umfrage sind 17% der Industrieunternehmen von Importen aus Russland abhängig.
Nachdem im Februar die Umsätze der Industrie kalender- und saisonbereinigt um 1,4% zurückgegangen ist und auch der Anstieg im Januar mit 1,6% zum Vormonat nicht ganz so hoch ausgefallen ist wie zunächst mit +1,8% gemeldet, erwarten Ökonomen für die heute anstehenden Zahlen zur Industrieproduktion ein Minus. Auch in den kommenden Monaten dürfte die gesamte Industrieproduktion deutlich ins Stocken geraten.
Zudem fällt der Ausblick für die Industrie „zum aktuellen Zeitpunkt gedämpft aus“, mahnte das Bundeswirtschaftsministerium. Zwar sei der Bestellrückgang im Februar in erster Linie vor dem Hintergrund der deutlichen Anstiege der Vormonate zu sehen. Allerdings sei ein Effekt des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in den Daten noch kaum enthalten, der aber „zu hohen Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Nachfrage“ führe.
Die nachlassende Auslandsnachfrage war laut Destatis Hauptursache des Auftragsrückgangs im Februar. Aus den Ländern außerhalb des Euroraums gingen 3,4% weniger Bestellungen als im Vormonat ein, während die Orderzahlen aus der Eurozone um 3,3% niedriger ausfielen. Insgesamt fiel das Bestellvolumen aus dem Ausland um 3,3%, während die Inlandsaufträge um 0,2% gegenüber Januar nachließen. Auch die volatilen Großaufträge schlugen wieder ins Kontor: Ohne sie ergab sich ein Rückgang von 1,6%.