Auftragseingang unerwartet schwach
Die deutsche Industrie hat im Juli wegen einer schwächeren Auslandsnachfrage unerwartet weniger Bestellungen als im Vormonat generiert. Dies ist ein weiterer Beleg, dass die Wirtschaft weniger dynamisch als im Vorjahr wachsen wird. Ökonomen sehen die Konjunktur dennoch weiter auf Kurs.ba Frankfurt – Die weiter schwindende Auslandsnachfrage hat auch im Juli dazu geführt, dass die deutsche Industrie weniger Aufträge eingesammelt hat als im Vormonat. Der Rückgang von saison-, kalender- und preisbereinigt 0,9 % hat die Ökonomen allerdings auf dem falschen Fuß erwischt: Sie hatten ein Orderplus von 1,8 % erwartet, nachdem im Juni das Neugeschäft um revidiert 3,9 (zuvor: 4,0) % geschrumpft war. Den einzigen Auftragszuwachs in diesem Jahr gab es im Mai mit + 2,6 %. Belastend wirkten sich im Juli laut Bundeswirtschaftsministerium der schwelende Handelsstreit zwischen den USA und China bzw. der EU sowie ein Sondereffekt in der Automobilindustrie aus.Laut den vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) gab es einzig bei den Vorleistungsgütern einen Orderzuwachs (+1,5 %), wohingegen es im Bereich der Investitionsgüter einen Rückgang von 2,7 % und im Bereich der Konsumgüter von 0,5 % gab. Laut Wirtschaftsministerium war im Juli der Anteil der Großaufträge unterdurchschnittlich – ohne diese volatile Größe ist die Bestelltätigkeit im Vergleich zum Vormonat um 2,0 % zurückgegangen. Im Zweimonatsvergleich Juni/Juli gegenüber April/Mai ergab sich ein Orderminus von 3,1 %. 2 Prozentpunkte davon dürften dem Rückgang der Bestellungen im Wirtschaftszweig Kraftwagen und Kraftwagenteile geschuldet sein, da es zu temporären Engpässen bei der Zulassung nach dem neuen Fahrzyklus für Pkw (WLTP) kam, der am 1. September in der EU in Kraft getreten ist. Das Ministerium erwartet aber, dass “ein Teil davon nachgeholt werden dürfte”.Zwar sind die Bestellungen aus dem Ausland in diesem Sektor besonders stark zurückgegangen, doch auch ohne diesen Effekt würde der Trend bei den Auftragseingängen eindeutig nach unten zeigen, wie Ralph Solveen von der Commerzbank betont. Die Bestellungen aus dem Ausland sanken um 3,4 %, wobei aus der Eurozone 2,7 % weniger Orders kamen und das Geschäft mit dem Rest der Welt um 4,0 % schrumpfte. Die Inlandsnachfrage hingegen legte 2,4 % zu. Solveen erwartet daher, dass die Produktion in den kommenden Monaten eher weiter fallen wird – im Schnitt wird bei den am heutigen Freitag zur Veröffentlichung anstehenden Produktionsdaten für Juli ein Plus von 0,2 % im Monatsvergleich erwartet. Eine schwache Vorgabe kommt auch vonseiten des preisbereinigten Umsatzes im verarbeitenden Gewerbe – Destatis weist hier für Juli einen saison- und kalenderbereinigten Rückgang von 1,8 % zum Vormonat aus. Allerdings wurde der Juni-Wert von -1,0 % auf -0,7 % nach oben revidiert. Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe warnt, Auftrags- und Produktionsrückgänge – ebenso wie Zuwächse – überzuinterpretieren. Die Industrie durchlaufe eine Normalisierungsphase, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters.Als weiteren Grund für das Auftragsminus im Juli nennt das Wirtschaftsministerium “die weltweiten Verunsicherungen durch Handelskonflikte”. Für Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, wirft das Zahlenmaterial eine “ganze Reihe von Fragezeichen auf”, denn die immer noch gute Stimmung in der Industrie passe nicht dazu. Möglicherweise falle das zweite Halbjahr für die deutsche Volkswirtschaft holprig aus – “holpriger jedenfalls als bislang angenommen”.Forschungsinstitute erwarten aber weiter ein robustes Wirtschaftswachstum für die kommenden Jahre. So sagen das Münchner Ifo-Institut, das Berliner DIW, das Kieler IfW und das IWH aus Halle in ihren gestern veröffentlichten Prognosen Zuwächse zwischen 1,7 und 2,0 % für die Jahre 2018, 2019 und 2020 voraus (siehe Tabelle). Vor allem die Binnennachfrage wird als Wachstumsträger gesehen. Maßgeblich sei der private Konsum, der von einer steigenden Beschäftigung und kräftigen Einkommenszuwächsen profitiert, wie Ifo-Experte Timo Wollmershäuser sagte. Aber auch der Bauboom trage stark dazu bei, wie das DIW betont. Die deutlich angespannten Kapazitäten würden aber wohl mit dem Übergang in das neue Jahrzehnt den Abschwung einleiten, warnte Stefan Kooths vom IfW.