Konjunktur

Auftragsstau in der Industrie

Die deutsche Industrie sitzt auf einem rekordhohen Auftragspolster, das für 8,1 Monate an Produktion steht. Es klemmt aber weiter beim Material.

Auftragsstau in der Industrie

Börsen-Zeitung, 20.7.2022

ba Frankfurt – Der Auftragsbücher der deutschen Industrie sind im Mai abermals dicker geworden, denn es mangelt weiter an Material, nicht an Nachfrage. Damit verzeichnet nicht nur die Reichweite – die im Mai allerdings unverändert blieb –, sondern auch der Auftragsbestand ein Rekordhoch. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) war der reale (preisbereinigte) Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe kalender- und saisonbereinigt 0,5 % höher als im April. „Damit hat der Auftragsbestand einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung im Jahr 2015 erreicht“, teilte Destatis am Dienstag mit. Dabei erhöhten sich die offenen Aufträge aus dem Inland im Monatsvergleich um 0,7 %, die aus dem Ausland um 0,3 %. Gegenüber Mai 2021 weisen die Statistiker ein Plus von 16,9 % aus. Destatis begründet den Nachfrageüberhang vor allem mit der „anhaltend hohen Knappheit an Vorprodukten“. „Gestörte Lieferketten infolge des Kriegs in der Ukraine und anhaltender Verwerfungen durch die Coronakrise, wie Schließungen von Häfen in China, führen nach wie vor zu Problemen beim Abarbeiten der Aufträge“, erklärten dazu die Wiesbadener Statistiker. Trotz leichter Entspannung beklagten im Juni noch 74,1 % der vom Ifo-Institut befragten Firmen Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, im Mai waren es 77,2 %. In den kommenden zehn Monaten werden sich die Probleme wohl auch nicht lösen – dafür sprechen auch die Containerschiffstaus, die nun auch im Nordseeraum unüblich lange sind, wie der aktuelle Kiel Trade Indicator zeigt. Zudem gibt es weiter keine Einigung in den Tarifverhandlungen zwischen Verdi und dem Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe ZDS – drei weitere Termine sind vereinbart, die Friedenspflicht endet am 26. August.Wie lang der Auftragsstau mittlerweile ist, zeigt die Reichweite: Diese ist seit Juli 2021 stetig gestiegen und markiert im Mai mit unverändert 8,1 Monaten ein Rekordhoch seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2015. Die Reichweite gibt an, wie lange theoretisch bei gleichbleibendem Umsatz ohne Neubestellungen produziert werden müsste, um die bereits vorhandenen Aufträge abzuarbeiten.

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