Aussichten bleiben mau
ba Frankfurt
Die deutsche Konjunktur gerät zum Jahresende hin in deutlich raueres Fahrwasser. Auch wenn die Industrieproduktion im Oktober unerwartet kräftig zugelegt hat, zeigen Stimmungsindikatoren wie etwa die ZEW-Konjunkturerwartungen, dass der Ausblick trübe bleibt. Im europäischen Vergleich ist die hiesige Wirtschaft bereits im Sommerquartal unterdurchschnittlich gewachsen, und Experten erwarten angesichts der wiederaufgeflammten Corona-Pandemie und der starken Industrieabhängigkeit, dass sich daran auch im Winterhalbjahr nichts ändert.
Industrie, Bau und Energieversorger fertigten im Oktober 2,8% mehr als im Monat zuvor, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) gestern mitteilte (siehe Grafik). Ökonomen hatten zwar erwartet, dass die Produktion zum dritten Mal seit Jahresbeginn ausgeweitet wird, sie hatten allerdings nur mit einem Plus von 0,9% gerechnet. Kräftiger weiteten die Firmen den Ausstoß zuletzt im Oktober 2020 – mit 3,1% – aus. Zudem revidierten die Wiesbadener Statistiker das Ergebnis von September deutlich nach oben: Statt eines Minus von 1,1% weisen sie nur noch –0,5% zum August aus.
Eine nachhaltige Wende zum Besseren sei dies allerdings noch nicht, mahnt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Denn immer noch klagen knapp 75% der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen über Materialknappheiten. Derzeit führe jeder einzelne Container, der nach Deutschland komme, und jede Hand voll Mikrochips sofort zu einer Belebung der Produktion, sagte ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Dem Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zufolge ist kaum Besserung in Sicht: Die Staus vor Häfen in den USA und China sind nach wie vor lang.
Als erfreulich bezeichnete das Bundeswirtschaftsministerium die kräftigen Steigerungen in den gewichtigen Bereichen Kfz und Kfz-Teile (12,6%) sowie im Maschinenbau (5,0%), die besonders von den Knappheiten vor allem bei Halbleitern beeinträchtigt sind. „Die Kfz-Produktion liegt allerdings trotz des starken Zuwachses nach wie vor deutlich unter Vorkrisenniveau“, betonte das Ministerium. Mit Blick auf das gesamte produzierende Gewerbe beträgt das Minus zum Vorkrisenniveau im Oktober 6,5%. Der weitere Ausblick für die Industriekonjunktur bleibe verhalten, worauf auch Stimmungsindikatoren am aktuellen Rand hindeuteten.
So nimmt der Pessimismus angesichts der Corona-Entwicklungen unter Finanzmarktexperten zu, wie die Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) unter 174 Analysten und institutionellen Anlegern zeigt. Sowohl die aktuelle Lage (–19,9 auf –7,4 Punkte) als auch der Erwartungssaldo (–1,8 auf 29,9 Punkte) haben im Vergleich zum Vormonat nachgegeben. „Besonders die Ertragserwartungen exportorientierter und konsumnaher Branchen werden schlechter beurteilt“, kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach. Etwas optimistischer fiel der Blick auf den Euroraum aus.
Das Bild passt auch zu den gestern von Eurostat veröffentlichten Wachstumszahlen des dritten Quartals. Während die Euro-Wirtschaft 2,2% im Quartalsvergleich zugelegt hat, waren es in Deutschland 1,7%. Für positive Impulse im Euroraum sorgte dabei insbesondere der private, aber auch der staatliche Konsum, und auch vom Außenhandel kam Schwung. Die Bruttoanlageinvestitionen wirkten sich hingegen ebenso wie die Vorratsveränderungen negativ auf das Wachstum aus.