Notiert inMailand

Bananenrepublik Italien

Italien wird von einem gigantischen Hackerskandal erschüttert. Ausspioniert wurden Politiker, Wirtschaftsbosse und Show-Stars. Auch Mafia und `Ndrangheta solle ihre Hände mit im Spiel haben.

Bananenrepublik Italien

Notiert in Mailand

Bananenrepublik Italien

Ein gigantischer Hackerskandal erschüttert das Land. Ein Mailänder Staatsanwalt sieht sogar die Demokratie in Gefahr. Auch die Mafia mischt mit.

bl Mailand
Gerhard Bläske, Mailand

Italien ist auf dem Weg, sich zur Bananenrepublik zu entwickeln. Da spioniert ein Bankangestellter der Intesa Sanpaolo (auf eigene Faust?) Konten von Ex-Premier Matteo Renzi, der Schwester von Regierungsschefin Giorgia Meloni, Arianna, oder dem Liederbarden Al Bano und vielen anderen aus. Und da stellt der Staatsanwalt eines Gerichts in Mailand die Banca Progetto wegen des Verdachts, Kredite mit staatlichen Garantien an mindestens zwölf Unternehmen aus dem Umfeld der mafiaähnlichen kalabrischen Organisation `Ndrangheta vergeben zu haben, unter staatliche Zwangsverwaltung.

Doch das ist nichts im Vergleich zu dem gigantischen Hackerskandal, der jetzt bekannt wurde. Der Mailänder Staatsanwalt Francesco De Tommasi sieht gar eine „Gefahr für die Demokratie“. Und Renzi konstatiert: „Wir sehen aus wie eine Bananenrepublik.“

Ermittelt wird gegen 60 Verdächtige. Sechs von ihnen wurden festgenommen. Zu den Verdächtigen gehören der frühere Polizei-Spitzenbeamte Carmine Gallo und Enrico Pazzali, Chef der Fondazione Fiera, zu der die Mailänder Messe gehört. Pazzali ist ein einflussreicher Strippenzieher, der der politischen Rechten nahesteht. Er ist Mehrheitseigner von Equalize, ein Unternehmen, das im Bereich Sicherheit tätig ist. Mit Hilfe professioneller Hacker, IT-Berater und Polizisten soll sich Equalize illegal hunderttausende von Datensätzen besorgt haben und die Informationen auf dem Schwarzmarkt oder an interessierte Kunden verkauft haben.

Die umfangreichen Datensätze, darunter als geheim eingestufte Unterlagen, sollen möglicherweise auch ins Ausland verkauft worden sein. Auch die Mafia hat angeblich ihre Hände mit im Spiel gehabt.

Die derart generierten Einnahmen summieren sich angeblich auf 3,1 Mill. Euro. Zu den Ausgespähten sollen neben Meloni erneut Renzi, Paolo Scaroni, Präsident des Fußballclubs AC Mailand und Chairman des Energieversorgers Enel, Senatspräsident Ignazio La Russa sowie Staatspräsident Sergio Mattarella gehören. Dem Vernehmen nach haben sich die Verdächtigen Bank- und Steuerunterlagen besorgt, aber etwa auch Trojaner in Handys und in Messinger-Dienste wie What`s App eingeschleust. Die Daten sollen auch dazu genutzt worden sein, politischen Druck auf die Betroffenen auszuüben.

Während sich die Öffentlichkeit zuletzt eher über die Liebes-Affaire des inzwischen zurückgetretenen Kulturministers amüsierte, der Geheimnisse und Regierungs-Interna an seine Geliebte ausplauderte und ihr einen Berater-Job anbot − was ernst genug ist −, sieht Meloni nun „den Rechtsstaat in Gefahr“. Für viele Beobachter ist das alles nur die Spitze eines Eisbergs.

Justizminister Carlo Nordio fordert eine Anpassung der Gesetze. Doch wenn er sagt, „die Technologie schreitet schneller voran als die Gesetze – in allen Bereichen“ und „Italien ist nicht sicher“, dann klingt das nicht vertrauenserweckend und beruhigend.

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