Bank of England warnt vor Brexit
Die Bank of England hat in ihrem neuesten Inflationsbericht ausführlich vor den Risiken eines EU-Austritts gewarnt. Lässt man die üblichen Einschränkungen wie “könnte”, “vielleicht” und “möglicherweise” weg, ergibt sich eine klare Aussage: Ein Brexit würde das Pfund unter Druck setzen, das Wachstum beeinträchtigen und die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben.hip London – Die Bank of England hat ihre Warnung vor den möglichen Folgen eines Austritts aus der EU verschärft. Allerdings gab sie im gestern vorgelegten Inflationsbericht keine Schätzungen ab, wie sich wichtige Kennzahlen im Falle eines Brexit entwickeln könnten. Das Pfund habe seit dem Hoch im November bereits um 9 % abgewertet, hieß es. Ein wesentlicher Teil davon gehe auf die mit dem Referendum am 23. Juni verbundene Unsicherheit zurück. Ein Austritt werde vermutlich eine weitere Abwertung zur Folge haben, möglicherweise einen Kursrutsch. Das Wachstum werde deutlich niedriger ausfallen und der Preisauftrieb spürbar höher sein als im Falle der Fortführung des Status quo. Die Arbeitslosigkeit könnte steigen, weil Haushalte weniger konsumieren und Unternehmen Investitionsentscheidungen hinauszögern.Gouverneur Mark Carney warnte vor einer “technischen Rezession”, also der Möglichkeit, dass das Bruttoinlandsprodukt zwei Quartale in Folge schrumpfen könnte. Die Geldpolitiker der “Old Lady of Threadneedle Street” sähen sich dann in einer Zwickmühle, müssten sie doch einerseits Inflation und Inflationserwartungen in den Griff bekommen, während sie andererseits Output und Beschäftigung nicht aus den Augen verlieren dürften.Die Volkswirte von Barclays gehen davon aus, dass die Bank of England im Falle derart negativer Auswirkungen eines Brexit über den kurzfristigen Anstieg der Inflation hinwegsehen und den Leitzins auf null senken würde. Auch ein Wiederanfahren des Anleihenkaufprogramms wäre dann denkbar. Nomura-Volkswirt Philip Rush hält ebenfalls Zinssenkungen für möglich, wenn es zum EU-Austritt käme. Industrie in der RezessionAuch ganz ohne Brexit wurde die Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr von 2,2 auf 2,0 % gesenkt – “keine Überraschung”, urteilte Volkswirt Ben Brettell von Hargreaves Lansdown, nachdem die jüngsten Konjunkturdaten bereits auf eine Eintrübung hingedeutet hätten. Die Industrie befindet sich bereits in einer Rezession. Sie steuert in Großbritannien allerdings nur wenig zur Wertschöpfung bei. Die Arbeitslosigkeit ging nicht weiter zurück, und die Löhne stiegen nicht im erwarteten Maß. Für die kommenden beiden Jahre rechnen die Volkswirte der Zentralbank nur noch mit jeweils 2,3 % Wachstum. Im Februar hatten sie für 2017 noch 2,4 % und für 2015 gar 2,5 % angesetzt. Wie dem Inflationsbericht zu entnehmen ist, begründen sie ihre niedrigeren Schätzungen unter anderem mit dem unerwartet schwachen Produktivitätswachstum. Die Denkfabrik NIESR (National Institute for Economic and Social Research) hatte ihre Wachstumsprognose für 2016 kurz zuvor auf 2,0 % gesenkt. Für 2017 rechnen die Ökonomen des Thinktanks weiterhin mit 2,7 %.Das geldpolitische Komitee (MPC) der Notenbank beließ den Leitzins auf dem historischen Tief von 0,5 %. Der Anleihenbestand wurde unverändert bei 375 Mrd. Pfund beibehalten. Obwohl am Markt bereits damit gerechnet worden war, dass sich Gertjan Vlieghe für eine weitere Lockerung der Geldpolitik aussprechen würde, fiel das Ergebnis der Abstimmung einstimmig aus.Zu den im Inflationsbericht erwähnten Risiken gehört das sich ausweitende Leistungsbilanzdefizit (siehe Grafik). Die ausstehenden ausländischen Forderungen beliefen sich – ohne Derivate – auf das vierfache Bruttoinlandsprodukt. Allerdings habe Großbritannien ausstehende Forderungen im Ausland in etwa gleicher Höhe, die sich gegebenenfalls zur Finanzierung des Defizits nutzen ließen.