Bank of Japan bereitet Abschied vom Negativzins vor
Bank of Japan bereitet Abschied vom Negativzins vor
Bruttoinlandsprodukt sackt im dritten Quartal ab – Anhaltende Inflation verschreckt Konsumenten
mf Tokio
Der tiefste Wirtschaftseinbruch seit dem Frühjahr 2020 kompliziert die Vorbereitungen der Bank of Japan, ihre ultralockere Geldpolitik zu normalisieren. Während am Finanzmarkt heiße Wetten auf ein baldiges Ende des Negativzinses laufen – der letzte weltweit – und eine Aufwertung des Yen den Aktienmarkt unter Druck setzte, muss Notenbankchef Kazuo Ueda neuerdings eine unerwartet heftige Konjunkturschwäche in sein geldpolitisches Kalkül einbeziehen. Sowohl Preise und Löhne ziehen zwar wie gewünscht an, aber die Haushalte verringern aufgrund realer Lohnverluste ihre Ausgaben. Damit bröckelt die wichtigste Stütze der Konjunktur.
Laut der revidierten Schätzung ist Japans Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Sommer stärker geschrumpft als zuerst berechnet. Zwischen Juli und September schrumpfte das BIP zum Vorquartal um 0,7% – die erste Schätzung lautete minus 0,5% – und aufs Jahr hochgerechnet um 2,9% (minus 2,1%).
Zwar sanken die privaten Kapitalausgaben nur noch um 0,4% gegenüber den vorläufig kalkulierten 0,6%. Aber der Privatkonsum ging um 0,2% zurück, zunächst hatte er stagniert. Nach zwei Jahrzehnten Deflation reagieren die Verbraucher auf die ungewohnten Preiserhöhungen mit Knauserigkeit. Denn ihre Reallöhne fallen nun schon seit 19 Monaten in Folge, zuletzt im Oktober um 2,3% zum Vorjahr, während die Inflation seit über einem Jahr über der Zielrate der Notenbank von 2% liegt.
Finanzwetten auf Geldwende
Damit fehlt der Bank of Japan (BoJ) ein wichtigstes Argument für die Normalisierung der Geldpolitik. Zuvor hatte Gouverneur Ueda selbst am Donnerstag entsprechende Spekulationen mit der Aussage angeheizt, es werde „ab dem Jahresende und bis ins nächste Jahr hinein noch schwieriger werden, die Politik zu steuern“. Darauf wertete der Yen um 4% zum Dollar auf, was den Nikkei 225 am Freitag um 1,7% nach unten drückte. Die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen sprangen um 10,5 Basispunkte auf 0,75% und eine Auktion von 30-jährigen Anleihen erlebte die geringste Nachfrage seit 2015.
Schon am Mittwoch hatte Vize-Notenbankchef Ryozo Himino in verblüffender Offenheit erklärt, ein „ordentlicher“ Ausstiegsprozess könnte Positives bewirken, weil „eine Vielzahl von Haushalten und Unternehmen von steigenden Löhnen und Preisen profitieren würde“. Das Bankensystem sei widerstandsfähig genug, um jegliche Belastung durch eine geldpolitische Neuausrichtung zu überstehen, sagte Himino.
Unterwegs zum „Tugendkreis“
Angesichts solcher Aussagen erwarten mehr als zwei Drittel der BoJ-Beobachter, dass der negative Leitzins von −0,1% auf bestimmte Einlagen der Geschäftsbanken bis April abgeschafft wird. Die Hälfte tippt auf den April selbst, weil dann bereits die Ergebnisse der Tarifverhandlungen auf dem Tisch liegen werden.
Einige Gewerkschaften wollen ein Lohnplus von 5%, zugleich soll die Inflation nur relativ gering sinken. Damit käme der Tugendkreis für die gewünschte „nachhaltige“ Inflation in Gang, den die Führung der BoJ als Voraussetzung für eine monetäre Normalisierung nennt. Jedoch wollte sich Ueda nicht festlegen, wie die Geldpolitik nach dem Verzicht auf den Negativzins aussehen könnte.