CHINA

Behutsame Gangart

Einen Marathon geht man am besten mit vorsichtigem Tempo an. Der jährliche Volkskongress, mit dem China seine politische und wirtschaftliche Agenda absegnet, wird diesmal auf eine ungewöhnliche Länge von 16 Tagen ausgedehnt. Vielleicht erklärt sich...

Behutsame Gangart

Einen Marathon geht man am besten mit vorsichtigem Tempo an. Der jährliche Volkskongress, mit dem China seine politische und wirtschaftliche Agenda absegnet, wird diesmal auf eine ungewöhnliche Länge von 16 Tagen ausgedehnt. Vielleicht erklärt sich daraus, dass man sich in Peking zum Auftakt am Montag mit Reformversprechen und programmatischen Ankündigungen noch sehr zurückgehalten hat. Während die Vorlage des wirtschaftlichen Arbeitsberichts der Regierung am ersten Tag des Volkskongresses oft das eigentliche Highlight ist, lassen sich diesmal noch keine sonderlich bedeutsamen Weichenstellungen erkennen. Die Rede von Premierminister Li Keqiang schien in erster Linie von Risikovermeidung jeglicher Art geprägt. Von den vielbeschworenen Ansätzen zu harten Strukturreformen und mutigen Anpassungen hin zu einem eher qualitativ ausgerichteten Wachstumsmodell sieht man jedenfalls nicht viel. Chinas offizielles Wachstumsziel liegt erneut bei “rund 6,5 %”. Dabei vertraut man darauf, dieses Niveau auch ohne größere Verrenkungen mit fiskalischen und monetären Impulsen erreichen zu können. Tatsächlich strebt China für das laufende Jahr eine Senkung der Budgetdefizitquote von 3 auf 2,6 % der Wirtschaftskraft an. Dies soll ein beherzteres Vorgehen in Sachen Verschuldungsbekämpfung, der größten binnenwirtschaftlichen Herausforderung, signalisieren. Chinas Wirtschaft hat im vergangenen Jahr erstmals seit 2010 einen leichten Aufschwung erlebt, der die Wachstumsrate mit 6,9 % deutlich über die Zielmarke gebracht hat und Wirtschaftsplaner wesentlich entspannter in die Zukunft blicken lässt. Als größtes Risiko für die Wirtschaft gilt nun eine extreme Verschärfung von Handelsspannungen mit den USA. US-Präsident Donald Trump hat wenige Tage vor Beginn des Volkskongresses mit Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium eine neue Salve losgeschickt. In Peking ist man einerseits verärgert, dass eine “Handelskriegsthematik” die Stimmungslage des Volkskongresses beeinträchtigen könnte, und andererseits erleichtert, dass die Maßnahme nicht rein auf China gemünzt ist, sondern alle Länder betrifft. Entsprechend milde sind auch die chinesischen Reaktionen auf Trumps Manöver ausgefallen. Derzeit ist man extrem bemüht, eine behutsame Gangart anzuschlagen. Schärfere Konturen einer chinesischen reform- und handelspolitischen Linie wird man wohl erst erkennen können, wenn der Volkskongress am 20. März komplett über die Bühne gegangen ist.