GastbeitragSteuerpolitik

Berlin setzt mit Erbschaftsteuerplänen den Mittelstand aufs Spiel

Manche Parteien wollen die Erbschaftsteuer für Firmenerben erhöhen. Ein internationaler Vergleich zeigt: Fast überall gelten Sonderregeln für Unternehmen – aus guten Gründen.

Berlin setzt mit Erbschaftsteuerplänen den Mittelstand aufs Spiel

Erbschaftsteuerpläne unterminieren den Mittelstand

Es ist das Zauberwort für all diejenigen, die von einem Geldsegen für den Staat träumen: Erbschaftsteuer. Parteien wie SPD, Grüne und BSW machen sich für höhere Erbschaftsteuern stark. Sie wollen vor allem Erben von Betrieben stärker zur Kasse bitten. Deren Ziel: Die Sonderregeln für betrieblich eingesetztes Vermögen – also Betriebsgrundstücke, Maschinen, Patente und Vorräte – die heute bei der Erbschaftsteuer gelten, sollen geschleift werden. Zu kurz kommen dabei die Folgen, die es für die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Familienbetriebe und damit für unsere Unternehmenslandschaft allgemein hätte, würde die Substanz der Betriebe besteuert.

In Deutschland wird die Erbschaftsteuerdiskussion vor allem aus nationaler Perspektive unter dem Stichwort gerechte Steuerlastverteilung geführt. Das reicht nicht. Wenn deutsche Familienunternehmen international wettbewerbsfähig bleiben sollen, sind erbschaftsteuerliche Verschonungsregeln für Betriebsvermögen unverzichtbar. Wie eine neue Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen zeigt, sind solche Verschonungsregeln keineswegs eine deutsche Eigenheit. Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen sind international üblich und gehören zum globalen steuerlichen Standard.

Prof. Rainer Kirchdörfer ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik und außerdem Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen. Kirchdörfer ist Jurist und Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart und lehrt an der privaten Universität Witten-Herdecke zu den Themen Unternehmensnachfolge und Unternehmenssteuerrecht.
Marco Urban / Stiftung Familienunternehmen

In vielen Ländern steuerfrei

Die Studie hält zudem eine weitere Überraschung bereit: Sie zeigt, dass Deutschland für Firmenerben auch in erbschaftsteuerlicher Hinsicht schon heute ein Hochsteuerland ist. Die Forscher haben nämlich untersucht, wie 33 Industrie- und Schwellenländer betriebliches Vermögen bei der Erbschaftsteuer behandeln. Fazit: „In insgesamt 26 der 33 Länder beträgt die Erbschaftsteuerbelastung bei vielen Unternehmensnachfolgen null Prozent“, stellen die Wissenschaftler fest. Das liegt zum einen daran, dass 14 Staaten überhaupt keine Erbschaftsteuer erheben: In Kanada, Österreich, Australien, Norwegen und Schweden etwa gibt es sie nicht.

Und noch eine zweite kommt hinzu: In vielen Ländern sind nahe Familienangehörige von der Steuer befreit. So haben zum Beispiel der Schweizer Kanton Zürich, Japan, Frankreich und die USA Ehegatten freigestellt, wenn Betriebsvermögen vermacht wird. Auch Kinder zahlen häufig keine oder kaum Erbschaftsteuern. In der deutschen Debatte ist schnell von skandalösen Privilegien der „Superreichen“ die Rede. Richtig ist aber, dass in vielen anderen Ländern auf diejenigen, die im Interesse des Volkswohlstandes bereit sind, hohe unternehmerische Risiken für ihr Vermögen einzugehen, viel mehr Rücksicht genommen wird als hierzulande. Dieser Aspekt darf in der Diskussion angesichts selbst ernannter „Robin Hoods“ in Parteien und NGOs nicht unter den Tisch fallen.

Mit 80 Prozent versteuert

Oft wird bei uns auch übersehen: Die deutschen Verschonungsregeln sind an enge Voraussetzungen geknüpft. So muss der Betrieb für viele Jahre fortgeführt werden, und die Lohnsumme, letztlich also die Zahl der Mitarbeiter, muss stabil bleiben. Und nicht nur das Privatvermögen des Unternehmers, sondern auch das nicht betriebsnotwendige Verwaltungsvermögen im Unternehmen selbst (wie vermietete Grundstücke oder Wertpapiere) dürfen keiner Vergünstigung unterliegen. In der Debatte wird oft auch ausgeblendet, dass Unternehmenserben, die neben unternehmerischem Vermögen auch Privatvermögen besitzen oder erben, durchaus hohe Steuern zahlen: Bei sehr hohen betrieblichen Erbschaften müssen sie das Privatvermögen zur Hälfte für die Erbschaftsteuer des Betriebes einsetzen. Das ererbte Privatvermögen wird dann in Fällen hoher Unternehmenserbschaften faktisch mit 80% Erbschaftsteuer belastet.

Die Behauptung, die Ausnahmen für Betriebe seien ungerecht, relativiert sich, wenn man sich die Regelungen in anderen Ländern im Detail anschaut: Italien zum Beispiel stellt das Vererben von Unternehmensvermögen frei, wenn der Erbe Abkömmling des verstorbenen Unternehmenseigentümers ist und dieser Betrieb mindestens fünf Jahre fortgeführt wird. In Polen greift ein Freibetrag von 100% für Ehegatten und Abkömmliche. In Spanien gilt ein 95-prozentiger Bewertungsabschlag. Diese Sonderregeln für Unternehmen gelten aus einem Grund: Sie sollen dazu dienen, die volkswirtschaftliche Basis in den Ländern zu stärken. Getreu der Lebenserfahrung: Die Kuh, die man melken will, sollte man nicht schlachten.

Deutschland schon Hochsteuerland

Natürlich gibt die Fokussierung auf eine einzige Steuerart immer nur einen Ausschnitt wieder. Einige Länder kennen zum Beispiel noch die Vermögensteuer, die bei uns vom Bundesverfassungsgericht aus guten Gründen ausgesetzt worden ist. Bei allen steuerlichen Beurteilungen ist zudem zu berücksichtigen, dass Deutschland für Familienunternehmen auch insgesamt betrachtet ein Höchststeuerland ist und auch bei den Ertragsteuern mit an der Spitze steht. Laut Standortbarometer „Länderindex Familienunternehmen“ rangiert Deutschland bei einer Gesamtbetrachtung der Steuern von 21 untersuchten Industrienationen abgeschlagen auf Platz 20.  Würden nun auch noch Substanzsteuern erhöht, wäre der Standort Deutschland noch weniger wettbewerbsfähig und deutsche Familienunternehmen würden im internationalen Wettbewerb noch weiter geschwächt.

Gerade bei der Erbschaftsteuer steht viel auf dem Spiel. Sie entscheidet, ob unsere einzigartige Vielfalt an Unternehmen erhalten bleibt. Und sie ist ganz wesentlich mitverantwortlich dafür, ob Familienunternehmer weiterhin in ihr Unternehmen in Deutschland investieren.

Nirgendwo sonst gibt es eine so hohe Dichte an international tätigen Familienunternehmen, die nicht selten Weltmarktführer sind. Diese Unternehmen sind über Generationen gewachsen. Die 500 größten Familienunternehmen sind im Schnitt 100 Jahre alt. Ihr Geschäftsmodell ist darauf angelegt, ihr Unternehmen nachhaltig zu entwickeln, in Generationen zu denken und ihr Unternehmen in robuster Verfassung an die nächste Generation zu übergeben. Das alles gerät in Gefahr, wenn nun nach höheren Erbschaftsteuern gerufen wird.

Die Erbschaftsteuer entscheidet mit darüber, ob Erfolgsgeschichten wie die nachfolgende auch in Zukunft noch geschrieben werden: Nehmen wir ein schwäbisches Familienunternehmen vor den Toren Stuttgarts. Der Maschinenbauer und Laserspezialist Trumpf setzte im Jahr 1950 erstmals mehr als eine Million Mark um – damals mit 145 Mitarbeitern. Heute hat dieses Unternehmen weltweit mehr als 18.000 Beschäftigte, die Hälfte davon in Baden-Württemberg. Das Unternehmen erwirtschaftet heute Erlöse von mehr als fünf Milliarden Euro. Die stürmische Entwicklung von Trumpf ist zum Glück kein Einzelfall. Wir haben viele Familienunternehmen, die einen gewaltigen Beitrag für unser Gemeinwohl leisten.

Es ist höchste Zeit, dass der Staat den Unternehmen in jeglicher Hinsicht wieder wettbewerbsfähige Bedingungen bietet und ihnen nicht ständig neue Steine durch Bürokratie, hohe Steuern und vieles mehr in den Weg legt.


Hier geht es zur Studie:

Rainer Kirchdörfer

Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.