Beruhigende Signale aus Paris
Er wirkte glücklich, aber auch sehr ernst, als er am Sonntagabend nach seinem Wahlsieg zum ersten Mal vor die Öffentlichkeit trat. Statt jubelnd zu triumphieren, gab er sich nüchtern. “Das Mandat, das ihr mir gegeben habt, wiegt schwer. Es ist groß und schön”, sagte François Hollande. Frankreichs frisch gewählter Präsident ist sich nur zu gut bewusst, welch schwierige Aufgabe ihn angesichts der europäischen Schuldenkrise und der wirtschaftlichen Probleme seines Landes erwartet. Nicht umsonst hat er sich in letzter Zeit ausführlich mit dem “New Deal” beschäftigt, den Franklin D. Roosevelt den USA nach seiner Wahl 1933 verordnete.Die Märkte, aber auch die EU-Partner Frankreichs beobachten die ersten Schritte Hollandes genau. Denn nach 17 Jahren zieht mit ihm erstmals wieder ein sozialistischer Präsident in den Elysée-Palast ein. In der Geschichte der V. Republik ist das zuvor nur François Mitterrand gelungen. Sein Wahlsieg hatte die Märkte 1981 in Panik versetzt und dramatische Kurseinbrüche an der Börse von Paris ausgelöst. Zwar hat auch Hollande die Finanzwelt mit Ankündigungen wie einem neuen Spitzensteuersatz von 75 % für Jahreseinkommen über 1 Mill. Euro in Aufruhr versetzt. Doch es handelt sich dabei aus Sicht von Ökonomen eher um symbolische Maßnahmen. Zudem gilt Hollande als gemäßigter Sozialdemokrat.Vieles spricht deshalb dafür, dass er seine Wahlkampfversprechen nicht oder nur zum Teil umsetzen wird. Großzügige Ausgabenprogramme wie unter Mitterrand dürfte es unter ihm nicht geben. Darauf deuten schon die Signale hin, die Hollande und seine Mitarbeiter jetzt aussenden. So erklärte der Wahlsieger bei seiner Rede in Tulle, dass für ihn die Wiederankurbelung der Wirtschaft, die Rückkehr auf den Wachstumspfad, aber auch die Bekämpfung des Haushaltsdefizits oberste Priorität hätten. Die Sozialisten stünden nun vor einer sehr viel schwierigeren wirtschaftlichen Situation als 1981, sagte auch sein wirtschaftspolitischer Berater Michel Sapin und gab damit die Marschrichtung vor: “Keiner erwartet von uns, dass wir allen Geschenke machen werden. Jeder weiß, dass das nicht der Realität entsprechen würde.”Der neue Präsident, der an der Wirtschaftshochschule HEC und der Kaderschmiede ENA studierte, will mit gutem Beispiel vorangehen und deshalb als Erstes die Gehälter von sich und der neuen Regierung um 30 % senken. Nur so kann er sicher sein, dass er die von der Bevölkerung für den erforderlichen Sparkurs nötige Rückendeckung erhält. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Denn zum einen sind sich die Franzosen durchaus bewusst, dass die Staatsverschuldung, die bei 86 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegt, und das Haushaltsdefizit von zuletzt 5,2 % des BIP dringend bekämpft werden müssten. Zum anderen aber gilt Hollande im Gegensatz zu Sarkozy als volksnaher Politiker ohne Starallüren. Sarkozy dagegen vermittelte den Franzosen das Gefühl, sein Sparkurs sei ungerecht, da er als “Präsident der Reichen” galt, seit er auf Kosten des Milliardärs Vincent Bolloré Urlaub machte und eine Steuerdeckelung für Besserverdiener einführte. Um seinen Landsleuten den Ernst deutlich zu machen, will Hollande den Rechnungshof nach seinem Amtsantritt am Dienstag nächster Woche gleich mit einem Kassensturz beauftragen.Es gibt noch mehr Anzeichen, die hoffen lassen. So dürften mit Jean-Marc Ayrault und Manuel Valls zwei moderate Sozialdemokraten wichtige Posten in der Regierung übernehmen. Damit würde der befürchtete Linksruck ausbleiben. Zudem wäre die Ernennung des ehemaligen Deutschlehrers Ayrault auf einer Schlüsselposition ein wichtiges Signal für die deutsch-französischen Beziehungen. Ayrault appellierte am Montag an Paris und Berlin, das Wachstum in Europa anzukurbeln. Dabei müssten beide einen Schritt aufeinander zu tun, forderte er – und deutete damit an, dass der neue Präsident durchaus kompromissbereit ist. Denn Hollande weiß nur zu gut, dass der Fiskalpakt nicht mehr zu kippen ist und selbst ein ergänzender Wachstumspakt in verbindlicher Form nur sehr schwer durchzusetzen sein wird. Eine Kompromisslösung, die beiden Seiten erlaubt, das Gesicht zu wahren, dürfte deshalb schnell gefunden sein.In der Vergangenheit ist Hollande oft zu Unrecht unterschätzt worden. Doch die Chancen stehen gut, dass es ihm mit seiner pragmatischen, ruhigen Art gelingt, das verunsicherte Frankreich durch die Krise zu führen und erforderliche Reformen durchzusetzen. Ob er dann in fünf Jahren wiedergewählt wird, ist eine andere Frage.——–Von Gesche Wüpper ——- François Hollande ist sich des Ernstes der Lage seines Landes durchaus bewusst. Deshalb wird er die Franzosen bald auf den nötigen Sparkurs einschwören.