US-Wahlkampf

Bidens Ausstieg beflügelt US-Demokraten im Kampf gegen Trump

Joe Biden hat seine Kandidatur für eine zweite Amtsperiode als US-Präsident beendet. Vizepräsidentin Kamala Harris ist favorisiert, nachzurücken. Allerdings könnte es auch noch einen beschleunigten Wahlkampf um die Kandidatur geben.

Bidens Ausstieg beflügelt US-Demokraten im Kampf gegen Trump

US-Präsident Joe Biden hat am Sonntagabend nun doch angekündigt, seine Kandidatur für eine zweite Amtsperiode zu beenden. Der 81-Jährige gab damit dem wachsenden Druck aus der demokratischen Partei nach, einen Schlussstrich unter das Duell mit dem republikanischen Spitzenkandidaten Donald Trump zu ziehen. Zugleich sprach Biden seiner Vizepräsidentin Kamala Harris das Vertrauen aus.

Während einerseits möglich ist, dass Harris sofort nachrücken wird, könnte es auch zu sogenannte „Blitz-Vorwahlen“ kommen. Darin würden mehrere Kandidaten die Möglichkeit bekommen, sich binnen kurzer Zeit vorzustellen. Der Name von Trumps neuem Gegner könnte dann erst bei dem demokratischen Nominierungskonvent, der am 19. August beginnt, feststehen. So oder so hat Bidens Rückzug innerhalb der demokratischen Partei Hoffnungen geweckt, dass Trump ungeachtet seines jüngsten Höhenflugs doch noch zu stoppen ist.

Vorzeitiger Ausstieg zuletzt 1968

Dass ein amtierender US-Präsident darauf verzichtet, wieder anzutreten, hat es seit über 50 Jahren nicht mehr gegeben. 1968 stieg Lyndon B. Johnson nach seinem schwachen Abschneiden bei den demokratischen Vorwahlen vorzeitig aus. Bidens Entscheidung kam aber deswegen überraschend, weil er noch am Wochenende bekräftigt hatte, im Rennen bleiben zu wollen.

Auch hatte er für die kommende Woche zahlreiche Wahlkampfauftritte in den entscheidenden „Swing States“ auf dem Programm.  Zudem hatte es kürzlich geheißen, dass der Präsident erzürnt sei über Parteifreunde, die ihn zum Verzicht gedrängt hatten und er an seiner Kandidatur festhalten wolle. Bidens Rage galt insbesondere Nancy Pelosi, der früheren Mehrheitssprecherin im Repräsentantenhaus, die über Jahrzehnte eine seiner engsten Verbündeten in Washington war. 

Wachsender Druck

Pelosi und andere Demokraten waren hingegen der Überzeugung, dass Biden nach seinem katastrophalen Auftritt bei der Fernsehdebatte mit Trump sowie mehreren Versprechern und Interviews, bei denen er ebenfalls eine schlechte Figur abgab, am 5. November chancenlos sein würde. Schädlich waren seinem Image als schwächelnder Greis schließlich zwei blamable Gedächtnislücken. Einmal verwechselte er den ukrainischen Präsidenten Wolodomyr Selenskyj mit Wladimir Putin. Dann vergaß Biden den Namen seines eigenen Verteidigungsministers Lloyd Austin.   

So oder so war letzten Endes die Zahl der Skeptiker zu groß. Neben drei Dutzend Senatoren und Abgeordneten meldete zuletzt auch Bidens früherer Chef, Ex-Präsident Barack Obama, Bedenken an. „Ich habe meine Zweifel, inwieweit er fähig wäre, Trump zu besiegen und effektiv eine weitere Amtsperiode durchzustehen“.  Entscheidend war aber nicht nur der Druck aus der eigenen Partei. Auch hatten einflussreiche Spender gedroht, dem Präsidenten für seine Kampagne den Geldhahn abzudrehen. Nach Bidens Ausstieg zeichnete sich unter ihnen ein rascher Gesinnungswandel ab. Bis zum späten Abend Washingtoner Zeit hatten Demokraten fast 50 Mill. Dollar an frischen Spenden kassiert.

Spender drehten Geldhahn ab

Dabei wollten die Geldgeber nicht nur Biden die Unterstützung entziehen sondern hatten in den vergangenen Tagen zudem angekündigt an, auch demokratischen Parlamentariern sowie Gouverneuren, die sich der Wiederwahl stellen, weitere Mittel zu verweigern. Folglich wuchsen die Sorgen, dass die Partei nicht nur die Präsidentschaft verlieren, sondern auch bei den Wahlen für beide Kongresskammern unterliegen würde.

Nach der Bekanntgabe seines Verzichts erklärte Biden, dass „ich Vizepräsidentin Kamala Harris meine volle Unterstützung zusage, dieses Jahr die Spitzenkandidatin unserer Partei zu sein“. Harris vor vier Jahren als seine Stellvertreterin nominiert zu haben, sei „die beste Entscheidung gewesen, die ich jemals getroffen habe“. Zwar liegt sie in den meisten Umfragen mit einem ähnlichen Abstand wie Biden von drei bis vier Prozentpunkten hinter Trump.

Harris hätte aber noch dreieinhalb Monate Zeit, um ihr Image aufzubauen. Bei einer kämpferischen Rede in North Carolina hatte sie vergangene Woche viele Demokraten beeindruckt, die meinen, dass sie dem Republikaner durchaus den Rang ablaufen könnte. Insbesondere wäre sie bei afroamerikanischen Wählern und Vertretern anderer Minderheiten klar favorisiert.     

„Blitz-Vorwahlen“ möglich

Eingetütet ist ihre Kandidatur aber noch nicht. Möglich ist auch, dass es zu "Blitz-Vorwahlen" kommt. Das Verfahren würde aus mehreren Phasen bestehen. Zunächst würde die Partei eine Liste mehrerer, interessierter Kandidaten zusammenstellen, die als tragfähige Bewerber in Frage kommen. Dann würde jeder Kandidat die Gelegenheit bekommen, sich und seine beziehungsweise ihre politischen Programme im Fernsehen ausführlich vorzustellen.

Entscheidung in Chicago

Bei dem Parteikonvent in Chicago würde dann die endgültige Entscheidung fallen. Demokraten glauben, dass dies nicht nur ein Mega-Publikum anziehen könnte. Wichtiger noch: Sie könnten damit Trump und den Republikanern komplett den Wind aus den Segeln nehmen.

Zwar meinten mehrere demokratische Politiker, dass die Partei angesichts der relativ knappen Zeit bis zur Wahl schnell handeln und sofort Harris nominieren sollte. Zahlreiche prominente Demokraten, unter ihnen der ehemalige Präsident Bill Clinton, sprachen Harris ihr volles Vertrauen aus. Hoffnungen auf eine baldige Nachfolgeregelung dämpfte aber prompt Jamie Harrison, Chef des Demokratischen Nationalkomitees. „Wir werden sofort ein faires, demokratisches und transparentes Verfahren einleiten“, betonte Harrison.

Unterdessen überschütteten führende Demokraten den Präsidenten mit Lob. „Er ist nicht nur ein toller Präsident gewesen, sondern ist ein unglaublicher Mensch“, sagte Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitschef im Senat. Wieder einmal habe Biden „seinem Land, seiner Partei und unserer Zukunft Vorrang gegeben“. Unterdessen forderten Republikaner, dass der Präsident angesichts seiner Entscheidung nicht nur die Kandidatur beendet, sondern seinen sofortigen Rücktritt einreicht.

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