Konjunktur

Börsianer werden skeptischer

Die Herbstbelebung wird dem Sentix-Konjunkturindikator zufolge ausfallen. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding gibt sich zuversichtlich, solange der Jobmarkt nicht gebremst wird. Danach sieht es einer IAB-Prognose zufolge nicht aus.

Börsianer werden skeptischer

ba Frankfurt

Finanzmarktexperten werden zusehends skeptischer, wie es mit der Euro-Konjunktur weitergeht. Gemessen an dem vom Analysehaus Sentix erhobenen Indikator wird die typische Herbstbelebung wohl ausfallen. Bislang, so schließt Sentix-Geschäftsführer Patrick Hussy aus den Ergebnissen der monatlichen Umfrage unter 1067 Institutionellen und Privatanlegern, seien die Kriterien noch erfüllt, dass es sich lediglich um eine Wachstumsverlangsamung handele, die typischerweise in einer mittleren Phase einer Konjunkturerholung auftrete, und noch nicht um eine Trendwende.

Im Oktober ist der Gesamtindex um 2,7 auf 16,9 Punkte gesunken und liegt nun nach dem dritten Rückgang in Folge auf dem niedrigsten Stand seit April 2021. Die Erwartungskomponente, die um 1 auf 8 Zähler fiel, notiert nach dem fünften Rückgang in Folge auf dem Tiefstwert seit Mai 2020.

In Deutschland falle der Schwungverlust, der sich in allen Weltregionen zeige, etwas geringer aus. Hussy wertet dies als erste Reaktion nach der Bundestagswahl, „nachdem das ,Schreckgespenst‘ einer möglichen rot-rot-grünen Koalitionsregierung vom Tisch ist“. Die Parteien sollten nun eine Hängepartie vermeiden und zügig eine Regierung bilden, „um den Bremseffekten in der Konjunktur entgegenzuwirken“.

Entscheidend für Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding ist mit Blick auf die neue Bundesregierung, „inwieweit im Koalitionsvertrag Dinge stehen, die letztlich den Jobmotor hierzulande doch verlangsamen könnten“, wie er bei der Vorstellung des neuen Konjunkturausblicks der Hamburger Privatbank sagte. Deutschland werde wohl ohnehin „von einer der Spitzenpositionen in Europa ins obere Mittelfeld zurückfallen“ – ob nun oberes oder reines Mittelfeld, werde davon abhängen, „wie die Politik auf die Herausforderungen reagieren möchte, die wir jetzt haben“. Dazu zählt er vor allem die Bereiche Umwelt, Digitales und Gesundheit. Den Effekt der „sinnvollen und notwendigen Politik zum Klimaschutz“ auf die Inflation etwa schätzt er auf rund 0,2 Prozentpunkte im Jahr. Die aktuellen Energiepreisrekorde wertet er als „übliches Auf und Ab“. In den nächsten Monaten rechnet er mit „einem Hauch von Stagflation“: Bei durch Sonderfaktoren geprägter recht hoher Inflation dämpfen Lieferengpässe die Wirtschaftsentwicklung vorübergehend. Die Nachfrage sei aber hoch, da Unternehmen Nachholbedarf hätten und die Haushalte Ersparnisse aus der Lockdown-Zeit hätten.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sagt derweil neue Rekorde am Jobmarkt für 2022 voraus: Im Frühjahr werde die Zahl der Beschäftigten das Vorkrisenniveau erreichen und im Jahresdurchschnitt 560000 Personen höher liegen als 2021. Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erwartet das IAB ein Plus um 550000 auf 34,42 Millionen. Fast alle Wirtschaftsbereiche suchten neues Personal, die Arbeitslosenzahl werde auf 290000 Personen sinken.