Regenwald

Brasiliens Präsident macht auf Klimaretter

Lange Zeit machten Bolsonaro und seine Minister nicht gerade als Klimaschützer von sich reden. Das hat sich nun geändert. Allerdings sind Zweifel an der Ernsthaftigkeit des politischen Schwenks angebracht.

Brasiliens Präsident macht auf Klimaretter

Mitte April schickte Jair Bolsonaro einen Brief an den US-Präsidenten Joe Biden. Darin versprach Brasiliens Präsident seinem Amtskollegen, dass Südamerikas Riese die illegale Abholzung des Regenwaldes bis 2030 beenden wolle. Zudem habe er für sein Land das Ziel der Klimaneutralität um zehn Jahre vorverlegt. Brasilien solle schon 2050 nicht mehr Schadstoffe emittieren, als es neutralisieren könne. Diese Versprechen wiederholte Bolsonaro zwei Wochen später auf dem von Washington organisierten virtuellen Leaders Summit on Climate. Auch wenn der US-Präsident Bolsonaros Ansage nach dem Video-Gipfel als „ermutigendes Signal“ bezeichnete, reagierte Washington vor allem mit Zurückhaltung.

Und das aus zwei Gründen: Die Versprechen zielen auf lange Zeiträume, dabei ist die Krise im Tropenwald akut. Und sie kommen von Bolsonaro, dem Politiker, der wie sein erklärtes Idol Donald Trump aus der internationalen Klima-Allianz austreten wollte, es dann aber aus Rücksicht auf die Exportinteressen der Agrarindustrie doch bleiben ließ.

Bei dem virtuellen Gipfel erwähnte Bolsonaro nicht, was er und sein Umweltminister Ricardo Salles zuvor schon gefordert hatten: Brasilien möchte von der entwickelten Welt unterstützt werden, um „die grüne Lunge“ auch künftig zu bewahren. 1 Mrd. Dollar pro Jahr will das Land haben, um die Rodungen um 30 bis 40% zu reduzieren, verlangt Salles. Aber: Nur ein Drittel des Geldes würde nach diesen Plänen direkt in den Schutz der Wälder fließen, der Rest würde für die „wirtschaftliche Entwicklung“ ausgegeben, um alternative Lebensgrundlagen für diejenigen zu schaffen, die von der Abholzung, dem Bergbau oder der Landwirtschaft im Amazonasgebiet abhängig sind. Das wiederum hat Befürchtungen geweckt, dass Salles das Geld an Bauern und Landräuber weiterleiten und diese so für das Zerstören des Waldes auch noch belohnen könnte.

Gerade gegenüber Salles scheint Skepsis angebracht: Dem früheren Anwalt, der zu den engsten politischen Alliierten des Staatschefs zählt, werfen Kritiker im In- und Ausland vor, sämtliche institutionellen Schutzmechanismen für den Regenwald systematisch abgebaut zu haben. Am 20. Mai eröffnete der oberste Gerichtshof Ermittlungen gegen den Minister und den von ihm eingesetzten Chef der nationalen Umweltbehörde und ließ Amts- und Privaträume durchsuchen. Nach Auswertungen von Dokumenten, die pikanterweise aus den USA an den obersten Gerichtshof geschickt wurden, vermutet dieser, dass der Minister in den Export von illegal geschlagenen Tropenhölzern verwickelt ist. Ende des Vorjahres hatte Brasiliens Bundespolizei im Staat Amazonas die größte jemals aufgegriffene Ladung an illegalen Hölzern sichergestellt: 200000 Kubikmeter Edelholz, das entspricht etwa 10000 LKW-Ladungen.

Brasilianische Beobachter werten Bolsonaros Schwenk als politisch motiviertes Manöver, um, inmitten der dramatischen dritten Coronawelle, der zunehmenden Isolation zu entkommen.