Britischer Arbeitsmarkt stärker als erwartet
gho London – Die britische Arbeitslosenquote hat in den Monaten von April bis Juni, also bis zum Brexit-Votum, 4,9 % betragen. In den drei Monaten zuvor hatte sie noch bei 5,1 % gelegen. Damit sank die Quote auf den niedrigsten Stand seit elf Jahren. Gleichzeitig erhöhte sich die Beschäftigungsquote, der Anteil der zwischen 16- und 65-Jährigen mit Arbeit, auf 74,5 % – ein Wert, der seit der offiziellen Erfassung in den 1970er Jahren nicht erreicht worden war. Zudem sind die durchschnittlichen nominalen Wochenlöhne ohne Boni um 2,3 % gegenüber der Vorjahresperiode gestiegen. Die Zahlen beziehen sich jedoch nur auf Ende Juni, was eine geringe Aussagekraft für die Auswirkungen des EU-Referendums bedeutet. Die Volksabstimmung fand am 23. Juni statt.Die Anzahl der Personen, die Arbeitslosenunterstützung beantragten, wird aber bereits für Ende Juli ausgewiesen: Auch diese ging zurück. Damit könnte sich der Arbeitsmarkt als widerstandsfähiger erweisen als von vielen Ökonomen erwartet. Die Zahl der offenen Stellen im Juli war jedoch fallend. Die jüngsten Arbeitsmarktdaten zeichnen dadurch vorläufig ein unterschiedliches Bild zu den Umfragen zur Stimmung unter Unternehmen, die auf eine stärkere Abnahme von Investitionen und Anstellungen im Nachgang zur Brexit-Entscheidung hindeuten. Die meisten Ökonomen erwarten auch eine Verschlechterung der Situation am Arbeitsmarkt aufgrund der Unsicherheit, die durch das Referendumsergebnis hervorgerufen wurde. Ein Stellenabbau dürfte aber eher schleichend als sprunghaft erfolgen. James Sproule, der Chefökonom des Arbeitgeberverbandes Institute of Directors, gibt zu bedenken, dass die Unternehmen in der letzten Rezession eher keine Lohnerhöhungen gewährt als Stellen abgebaut haben. Auch die Anzahl von Teilzeitstellen hatte zugenommen. Ökonomen pessimistischDie Bank of England geht in ihrer jüngsten Schätzung von einer Arbeitslosenquote von 5,1 % zu Beginn des nächsten Jahres aus, die sich bis Mitte 2018 auf 5,6 % erhöhen könnte. Dies sind international gesehen immer noch niedrige Werte. Das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut NIESR sieht hingegen bereits eine Quote von 5,7 % im nächsten Jahr. Die Entwicklung dürfte aber bedeuten, dass die Realeinkommen – auch wegen der steigenden Inflation – unter Druck kommen werden, was wiederum die Binnennachfrage negativ belasten dürfte. Eine weitere Frage betrifft die Auswirkungen der Volksabstimmung auf die Attraktivität Großbritanniens für ausländische Arbeitnehmer. Im vergangenen Jahr machten rund die Hälfte des Beschäftigungswachstums Personen aus den übrigen EU-Staaten aus.