EU-Energiepolitik

Brüsseler Ambitionen

Dass die EU-Kommission glaubt, mit ihrem neuen Energiepaket den Bedarf an russischen Erdgasimporten schon bis Jahresende um zwei Drittel senken zu können, ist äußerst ambitioniert gerechnet. Wichtig ist aber auch die Botschaft.

Brüsseler Ambitionen

Über eine Diversifizierung der Gasimporte wird in Europa schon viele Jahre diskutiert. Immer wieder gab Russland selbst den Anstoß dafür – mit dem Georgien-Krieg, Lieferstopps in die Ukraine oder der Krim-Annexion. Nur passiert ist bislang in der EU nichts. Im Gegenteil: Nord-Stream-Pipelines wurden gebaut, und seit 2009 haben sich die Gas­lieferungen aus Russland in die EU mehr als verdoppelt. Erst jetzt, angesichts der russischen Ag­gression in der Ukraine, scheint es erstmals einen ernsthaften Versuch zu geben, sich aus der Energieabhängigkeit vom Kreml zu verabschieden – und dies zum Glück so schnell wie möglich.

Die EU-Kommission rechnet damit, dass das Maßnahmenpaket, das sie zu diesem Zweck am Dienstag vorgelegt hat, schon bis Jahresende den Bedarf an russischen Erdgaslieferungen um zwei Drittel senkt. Dies ist äußerst ambitioniert gerechnet. Ob tatsächlich der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren wie veranschlagt gelingt, ob tatsächlich Biogas und Wasserstoff in der erhofften Menge zur Verfügung stehen, ob tatsächlich das große Klimapaket „Fit for 55“ wie vorgeschlagen umgesetzt wird oder ob tatsächlich andere Gasproduzenten zu vernünftigen Bedingungen bereit sind, Importe aus Russland zu ersetzen – hinter all dies sollte man zumindest ein paar Fragezeichen setzen.

Wichtig ist aber etwas anderes: Immer wieder wurde in der Energiepolitik das Credo hochgehalten, Änderungen seien nur langfristig möglich. Diese Ge­wissheit gilt in Bezug auf die russischen Gasimporte jetzt nicht mehr. Auch die Internationale Energieagentur (IEA) hat in der vergangenen Woche schon vorgerechnet, dass die EU Putins Gaslieferungen innerhalb eines Jahres um immerhin ein Drittel senken könnte.

Die Ansätze waren ähnlich wie nun bei der EU-Kommission: mehr Alternativen wie LNG nutzen, den Gasverbrauch durch mehr Energieeffizienz verringern, mehr Wärmepumpen, mehr Solarpanels auf den Hausdächern und eventuell auch noch – wo möglich – mehr heimische Produktion. Es gibt auch noch andere nationale Analysen, wie etwa von einem Thinktank, der erwartet, dass Italien kurzfristig die Hälfte seiner russischen Gasimporte ersetzen könnte.

Es geht doch. Die Energieabhängigkeit war immer die offene Flanke in der Sanktionspolitik gegen Russland. Die EU-Kommission hat jetzt Vorschläge vorgelegt, diese zu schließen. Die Staats- und Regierungschefs sollten sich auf ihrem informellen Gipfel diese Woche auf eine schnelle Umsetzung einigen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.