Brüssel drückt mit Klimagesetz aufs Tempo

Neues CO2-Ziel für 2030 soll bis September stehen

Brüssel drückt mit Klimagesetz aufs Tempo

cru/ahe Frankfurt/Brüssel – Mit dem Klimagesetz, das am heutigen Mittwoch in Brüssel vorgelegt wird, macht die EU-Kommission die bis 2050 angestrebte Klimaneutralität erstmals rechtsverbindlich und strebt darüber hinaus eine unerwartet schnelle Reduktion der Treibhausgase an. Nicht einmal das möglicherweise verschärfte Klimaziel von minus 55 % Emissionen bis 2030 bildet eine feste Obergrenze. Überprüfungen soll es 2023 und 2028 geben. Nach 2030 könnten die Minderungsziele dann vereinfacht festgelegt werden. Das geht aus dem Gesetzentwurf hervor, der der Börsen-Zeitung vorliegt.Derzeit will die EU bis 2030 rund 40 % weniger Treibhausgase produzieren als 1990. Laut Gesetzentwurf soll nun die Möglichkeit einer schnelleren Reduktion um 50 bis 55 % genauer analysiert werden: Bis September 2020 solle die EU-Kommission auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabschätzung und unter Berücksichtigung ihrer Analyse der integrierten nationalen Energie- und Klimapläne das Klimaziel 2030 überprüfen im Hinblick auf eine Reduzierung der Emissionen um 50 bis 55 %, heißt es im Gesetzestext.Im Dezember war das Ergebnis dieser Überprüfung für den “Sommer 2020” angekündigt worden. Damals hatte es in der “Green Deal”-Kommunikation der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits geheißen: Es gehe um eine Reduzierung der Emissionen um “mindestens 50 % mit Tendenz zu 55%”. Mehrere EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien und Spanien, aber nicht Deutschland, forderten die EU-Kommission auf, ihr neues Ziel nicht erst im September, sondern spätestens im Juni bekannt zu geben. Dies geht aus einem Brief an den zuständigen Kommissions-Vize Frans Timmermans hervor, den zwölf Staaten unterzeichnet haben.Ab 2030 will die EU-Kommission laut Gesetzentwurf in Schritten von fünf Jahren ihre Ziele überprüfen und anpassen, um 2050 dann klimaneutral zu sein. Sie richtet sich damit nach dem auch im Weltklimavertrag beschlossenen Vorgehen. Klimaschützer und Grüne verlangen indes sogar eine Reduzierung um 65 % bis 2030, weil sonst das Pariser Abkommen nicht einzuhalten sei.Vor diesem Hintergrund setzt die EU-Kommission auf einen anderen Kniff, damit das Langfristziel für 2050 wirklich erreicht wird. Im Gesetzentwurf fordert sie das Recht, nach 2030 nötigenfalls bei Zielen und Umsetzung regelmäßig nachzusteuern. Das soll per delegiertem Rechtsakt geschehen. Dabei hätten Mitgliedstaaten und EU-Parlament nur Widerspruchsrechte, nicht volle Mitsprache wie bei einem Gesetzgebungsverfahren. Dass die EU-Kommission mit diesem Vorschlag zur Ausweitung ihrer Macht durchkommt, gilt aber nicht als sicher. Auswirkungen auf IndustrieFür die Unternehmen bedeutet das Klimagesetz in jedem Fall eine historische Zäsur. Besonders für energieintensive Industrien wie die Stahl- oder Zementherstellung wird es schwierig und teuer werden, die Umstellung zu schaffen. Auch die Autoindustrie ist indirekt stark betroffen. Nur die Energiekonzerne können das Gesetz relativ entspannt betrachten, weil sie die Reduktionsziele schon übererfüllt haben.Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, der die Klimaneutralität bis 2050 für machbar hält, mahnte Realismus beim neuen 2030-Ziel an. “Wir wollen weiterhin Industriekontinent bleiben”, betonte er gestern. “Wenn wir zwar klimaneutral sind, aber keine Industriearbeitsplätze haben, sind wir kein gutes Vorbild für den Rest der Welt, zum Beispiel für China und Indien.” Und ohne die Unterstützung dieser Schwellenländer und anderer großer Emittenten sei das Erreichen der Pariser Klimaziele nicht möglich.