EU-Frühjahrsprognose

Brüsseler Erwartungen werden optimistischer

Die Impfkampagne beginnt zu wirken, und erste Gelder aus dem Wiederaufbaufonds stehen in kürze bereit: Die EU-Kommission hat ihre Wachstumsprognosen aus dem Februar noch einmal deutlich nach oben revidiert. Auch für die deutsche Wirtschaft soll es besser laufen als zuletzt gedacht.

Brüsseler Erwartungen werden optimistischer

Die EU-Kommission rechnet für dieses und das kommende Jahr mittlerweile mit einer kräftigen Erholung der Wirtschaft und hat ihre Wachstumsprognosen entsprechend angehoben. Rechnete die Brüsseler Behörde im Februar noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Eurozone 2021 und 2022 von jeweils 3,8%, so erwartet sie nun ein Plus von 4,3 beziehungsweise 4,4%. Für die EU-Wirtschaft insgesamt sieht es ähnlich aus. „Der Schatten von Covid-19 beginnt von der europäischen Wirtschaft zu weichen“, betonte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Brüssel. Die Aussicht auf eine Erholung sei nicht mehr nur eine Illusion.

Die EU-Wirtschaft war zwar schwach ins Jahr gestartet. Die Kommission geht aber davon aus, dass das Wachstum im weiteren Jahresverlauf auch im Zuge der steigenden Impfquoten und der Lockerung von Beschränkungen im Zuge der Pandemie kräftig anziehen wird. Diese Erholung werde von privaten Konsumausgaben, Investitionen und einer steigenden Nachfrage nach EU-Exporten in einer sich ebenfalls belebenden Weltwirtschaft getragen, hieß es.

Zur Anhebung der Prognosen hat allerdings auch die erstmalige Einbeziehung von Effekten des EU-Wiederaufbaufonds beigetragen. Gentiloni rechnet damit, dass bis Ende 2022 rund 40% der von den Mitgliedstaaten beantragten Gelder ausgezahlt werden und dies bis dahin einen positiven BIP-Effekt von 1,2 Prozentpunkten (im Vergleich zu 2019) haben wird. Auch dies dürfte dazu führen, dass die öffentlichen Investitionen im Verhältnis zum BIP im kommenden Jahr ihren höchsten Stand seit mehr als einem Jahrzehnt erreichen werden.

Gentiloni verwies darauf, dass die Tiefe der Rezession in den EU-Staaten äußerst unterschiedlich ausgefallen ist und nun auch die Erholung unterschiedlich schnell verlaufen wird. Länder wie Deutschland erreichen seiner Einschätzung nach schon Ende 2021 wieder das Vorkrisenniveau. Dagegen werde dieser Prozess unter anderem in Spanien bis Ende 2022 dauern.

Für Deutschland prognostizierte die Brüsseler Behörde konkret ein BIP-Wachstum für dieses Jahr von 3,4 (bisherige Schätzung: 3,2)% und für das kommende Jahr von 4,1 (3,1)%. Auch für die von der Krise besonders getroffenen Länder Italien und Spanien – die auch am stärksten vom Wiederaufbaufonds profitieren – wurden die Vorhersagen vor allem für 2022 deutlich angehoben.

Zurückhaltend reagierte Gentiloni auf den Vorstoß von Frankreich für einen weiteren europäischen Investitionsplan. In Brüssel sei aktuell kein Recovery-Fonds Nummer 2 in Arbeit, sagte er. Die Konzentration müsse auch vielmehr ganz auf der Umsetzung des jetzigen Wiederaufbaufonds liegen.

Trotz der sich verbessernden Aussichten warnte Gentiloni noch einmal davor, die fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft zu schnell zu beenden. Werde die Unterstützung zu früh zurückgefahren, drohe die Erholung im Keim erstickt zu werden, sagte er. Andererseits: Werde dieser Zeitpunkt zu weit hinausgezögert, könne dies zu Marktverzerrungen und Hindernissen für das Ausscheiden unrentabler Unternehmen führen. Hier gelte es einen „Mittelweg“ zu finden. Die Haushaltsregeln sollen dennoch auch 2022 noch ausgesetzt bleiben, bekräftigte Gentiloni. Eine endgültige Entscheidung solle hierzu Ende Mai bei der Vorlage des nächsten Pakets zum Europäischen Semester getroffen werden.

Im Euroraum wird in diesem Jahr ein durchschnittliches Haushaltsdefizit von 8,0% des BIP erwartet, das damit noch höher ausfällt als dasjenige des letzten Jahres (7,2%). Der Schuldenstand im Euroraum wird den Prognosen zufolge damit auf 102,4% des BIP klettern und auch 2022 noch über der 100-Prozent-Marke bleiben. In diesem Jahr dürfte beim Haushaltsdefizit wohl nur Luxemburg unter der von Maastricht vorgegebenen 3,0-Prozent-Grenze bleiben. 2022 dürften immerhin acht Länder – darunter auch Deutschland – die Grenze nicht reißen.

Wie die EU-Statistikbehörde Eurostat unterdessen mitteilte, stieg die saisonbereinigte Industrieproduktion im Euroraum im März gegenüber Februar leicht um 0,1%. In der gesamten EU betrug das Plus 0,6%. Gegenüber dem Vorjahr verzeichnete die Behörde im März allerdings einen kräftigen Anstieg der Indus­trieproduktion von 10,9% im Euroraum und 11,0% in der EU.

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