Standort Deutschland

Bürokratielast wächst ungebremst weiter

Entgegen regelmäßigen Bekenntnissen aus der Politik nehmen die Bürokratielasten immer weiter zu, wie eine neue Studie zeigt. Die neue Regierungskoalition gelobt Besserung und verweist auf den Koalitionsvertrag. Wie glaubwürdig ist das Vorhaben?

Bürokratielast wächst ungebremst weiter

Bürokratielast nimmt ungebremst weiter zu

Neuer Index zeigt, dass die von Unternehmen zu berücksichtigenden rechtlichen Bestimmungen immer mehr werden

lz Frankfurt

Die jahrelangen Selbstverpflichtungen der Politik zum Bürokratieabbau gehen offenbar ins Leere: Auch im vergangenen Jahr hat der Umfang geltender Bundesgesetze weiter zugelegt und ein neues Rekordhoch erklommen, wie ein neuer Index zeigt. Der Wiener Betriebswirt Stefan Wagner hat zusammen mit der Berliner Wirtschaftsuni ESMT und der Rechtsplattform Buzer den Umfang geltender Bundesgesetze ausgewertet und kann nachweisen, dass der Regulierungsaufwand in Deutschland weiter zugelegt hat.

Demnach summierte sich Anfang 2025 der Umfang auf 1.306 Einzelgesetze mit rund 39.536 Normseiten. „Damit ist das Volumen der Gesetzgebung innerhalb von 15 Jahren um etwa 60% angewachsen“, hieß es. Demgegenüber galten 2010 noch 1.082 Einzelnormen mit insgesamt rund 24.775 Normseiten. Auch im Vergleich zum Vorjahr habe sich das Volumen trotz aller politischen Bekenntnisse zum Bürokratieabbau nochmal um 2,5% erhöht. „Dies zeigt, dass die Regulierung in Deutschland nicht abnimmt, sondern weiter zunimmt“, schreiben die Autoren.

Bürokratische Hürden belasten den Forschern zufolge nicht nur Unternehmen, sondern auch Bürgerinnen und Bürger. „Die derzeitige Betrachtung der Bundesgesetzgebung ist nur ein Teil des Problems“, warnt Studienautor Wagner. Ein noch größerer Anteil der gesetzlichen Regelungen finde sich in Durchführungsverordnungen, Landesgesetzen und der EU-Gesetzgebung. Die tatsächliche Bürokratiebelastung sei also „noch weit höher“.

Fokussiert man sich auf die vier umfangreichsten Rechtsgebiete, zeigt sich der Auswertung zufolge, dass der Zuwachs seit 2010 vor allem durch die überproportionale Zunahme von Regelungen im Bereich Finanzwesen (+88%) und Wirtschaftsrecht (+110%) getrieben ist. Die Zunahme bei Verwaltung (+54%) sowie Sozialgesetzgebung (+46%) verlief demnach deutlich langsamer.

Union lobt Koalitionsvertrag

Union und SPD haben sich in ihrem Regierungsprogramm auf einen Bürokratieabbau verständigt. Wirtschaftsverbände fordern dies seit langem. Nach Angaben aus CDU/CSU könnten Unternehmen und Bürger durch den im schwarz-roten Koalitionsvertrag geplanten Bürokratieabbau mindestens 26 Mrd. Euro sparen.

Allein die Reduzierung von Melde- und Berichtspflichten für die Wirtschaft mache 16 Mrd. Euro im Jahr aus, sagte der Unions-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt. „Damit wird diese Art von Bürokratiekosten um 25% gesenkt.“ Dazu kämen weitere Maßnahmen im Volumen von 10 Mrd. Euro im Jahr, von denen zum Teil auch die Bürger direkt profitierten. Die Entlastung sei „weit größer als bei einer umfangreichen Steuersenkung“, erklärte Hoppenstedt.

Beschäftigte sorgen sich um Standort

In einer Jobstudie des Beratungsunternehmen EY sehen viele Arbeitnehmer den Wirtschaftsstandort Deutschland kritisch. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (56%) ist der Ansicht, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert hat. Als größte Schwächen des Standorts nannten die Beschäftigten Bürokratie, dann hohe Energiekosten und den Fachkräftemangel. Die größten Stärken sahen sie hingegen bei qualifizierten Arbeitskräften, hoher Lebensqualität und stabilen politischen Rahmenbedingungen.

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