Bund und Länder sind über 2G einig
sp/Reuters Berlin
Die Spitzen von Bund und Ländern haben beschlossen, dass nach Überschreiten von definierten Belastungsschwellen im Gesundheitssystem schärfere Corona-Regeln gelten sollen. Konkret haben die Ministerpräsidenten und die geschäftsführende Bundesregierung vereinbart, dass ab einer Hospitalisierungsrate von 3 flächendeckend die 2G-Regel eingeführt wird. Wenn die Zahl der zur Behandlung in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen über 3 steigt, werden nur noch Geimpfte und Genesene (2G) Zutritt zu Freizeit-, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gastronomie sowie zu körpernahen Dienstleistungen und Beherbergungen haben. Am Donnerstag lag die Hospitalisierungsrate nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 5,3. Der bisherige Höchstwert während der Corona-Pandemie wurde um Weihnachten des vergangenen Jahres mit einem Wert von 15,5 erreicht.
Neben den Schwellenwerten für die Hospitalisierungsrate verständigten sich Bund und Länder darauf, die Anstrengungen im Rahmen der Impfkampagne zu verstärken. Die Länderchefs warben in den Beratungen außerdem für eine Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen, die in Kontakt mit Risikogruppen stehen. Schließlich soll es neuerlich einen Bonus für Pflegekräfte geben.
„Alles in allem haben wir einen großen Maßnahmenkatalog verabredet“, sagte die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach ihrer wohl letzten Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt. Jetzt komme es darauf an, schnell zu handeln und die beschlossenen Maßnahmen auch strenger zu kontrollieren. „Es ist absolute Zeit zu handeln“, appellierte Merkel.
Wenn die Hospitalisierungsrate einen Wert von 6 überschreitet, soll künftig flächendeckend die 2G-Plus-Regel gelten. Dann müssen auch Geimpfte und Genesene einen Testnachweis erbringen. Oberhalb einer Hospitalisierungsrate von 9 soll vorbehaltlich der Zustimmung der Landtage das gesamte Instrumentarium zur Pandemie-Bekämpfung zur Anwendung kommen. „Es ist kein Geheimnis, dass ich der Meinung bin, dass die Maßnahmen hier nicht ausreichen“, sagte Merkel mit Blick auf die Möglichkeit für flächendeckende Lockdowns, für die es mit Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite am 25. November keine gesetzliche Grundlage mehr gibt.
Die Union scheiterte am Donnerstag mit einem Antrag im Bundestag, die epidemische Lage zu verlängern. Stattdessen beschlossen SPD, Grüne und FDP die von ihnen eingebrachten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, mit denen unter anderem die rechtlichen Grundlagen für 3G am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln geschaffen werden. Die Vertreter der Unionsparteien und die AfD stimmten jeweils geschlossen gegen das Gesetz. Die Abgeordneten der Linken enthielten sich ihrer Stimme.
Der geschäftsführende Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sicherte den Ministerpräsidenten in der Bund-Länder-Runde zu, die Instrumente zur Pandemie-Bekämpfung bis spätestens 15. Dezember zu evaluieren, wenn die Übergangsfrist nach dem Auslaufen der epidemischen Lage endet. Das dürfte die Chancen verbessern, dass die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes am Freitag auch den Bundesrat passieren. Eine Mehrheit in der Länderkammer galt am Donnerstag wegen des Widerstands der unionsgeführten Länder und des grün regierten Baden-Württembergs aber nicht als sicher. Sollte am Ende weder die epidemische Lage verlängert noch das Infektionsschutzgesetz verändert werden, drohen die Länder die Grundlage für ihre Corona-Maßnahmen zu verlieren.
Im Bundestag gab es am Donnerstag einen heftigen Schlagabtausch, in dem sich Rednerinnen und Redner der Ampel-Parteien und von CDU/CSU gegenseitig Verantwortungslosigkeit angesichts neuer Rekordwerte bei Infektionen vorwarfen. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) warf den Ampel-Parteien vor, die Reaktionsmöglichkeiten der Länder durch die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in einer heiklen Phase der Pandemie einzuschränken. „Wir behalten das hohe Schutzniveau nicht nur, sondern wir erhöhen es“, entgegnete die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, und die Grünen-Co-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierten, dass die Union nicht konkret sage, welche Maßnahmen sie zusätzlich für die Länder forderten.
RKI warnt vor Untererfassung
Die Bundestagsdebatte und die Bund-Länder-Runde fanden vor dem Hintergrund rekordhoher Infektionszahlen statt. Das RKI meldete am Donnerstag 65371 neue Corona-Fälle innerhalb von 24 Stunden. Das waren 15175 Fälle mehr als am Donnerstag vor einer Woche. Es war bereits der elfte Tag mit einem Rekord in Folge. Auch die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz schnellte erneut nach oben, von 319,5 am Vortag auf 336,9. Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. RKI-Präsident Lothar Wieler hatte am Mittwoch in Bezug auf die gemeldeten Infektionszahlen von einer „Untererfassung“ gesprochen. Die Zahlen seien wahrscheinlich „mindestens doppelt oder dreimal“ so hoch. Die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen stieg am Donnerstag auf 3412.