Bundesregierung zieht alle Register

Unbegrenzte Hilfskredite für betroffene Unternehmen - Konjunkturprogramm noch in diesem Jahr möglich

Bundesregierung zieht alle Register

Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier haben am Freitag milliardenschwere Hilfen für die von der Coronakrise betroffenen Firmen angekündigt. An den Finanzmärkten sorgte das nur kurz für neue Zuversicht. Aus der Wirtschaft kommt für die Regierung dennoch viel Lob. sp/Reuters Berlin – Die Bundesregierung stemmt sich den wachsenden Sorgen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie mit einem bislang beispiellosen Hilfsprogramm für die betroffenen Unternehmen entgegen. “Wir haben uns zu einem Schritt entschlossen, den es so in der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat”, erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zum Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus, das er am Freitag zusammen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in Berlin vorstellte. “Wir werden jedes Mittel nutzen und dafür sorgen, dass wir rauskommen aus dieser Situation”, unterstrich der Finanzminister die Entschlossenheit der Regierung. Ist das erst geschafft, könnte die Bundesregierung noch in diesem Jahr ein Konjunkturprogramm auf den Weg bringen, um das Wachstum anzukurbeln. “Als überzeugter Keynesianer sage ich: Man darf einer Krise nicht hinterhersparen”, erklärte Scholz.Vor der Rückkehr auf einen Wachstumspfad steht für die Bundesregierung zunächst die Stabilisierung der konjunkturellen Situation im Vordergrund. Im Kern der Maßnahmen, die sich als “Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen” bewähren sollen, steht das Versprechen der Bundesregierung, für Firmenkredite und Bürgschaften in unbegrenzter Höhe zu garantieren. Weil die Ansteckungsgefahr durch das Virus hoch ist, stehen momentan vor allem Fluglinien wie die Lufthansa, Reiseanbieter, Hotels, Gaststätten und Messebauer mit dem Rücken zur Wand. “Die Botschaft des Staates ist: Wir werden unseren Beitrag leisten”, erklärte Scholz.Im Bundeshaushalt steht für die Kredite, die über die Förderbank KfW und ihre Partnerinstitute ausgereicht werden, bereits heute ein Garantie-rahmen von rund 460 Mrd. Euro zur Verfügung, der bei Bedarf um bis zu 93 Mrd. Euro erhöht werden könnte. Für eine weitere Erhöhung müsste die Bundesregierung das Einverständnis des Bundestages einholen. “Es ist die Bazooka, mit der wir das Notwendige jetzt tun. Und was wir dann noch an Kleinwaffen brauchen, das gucken wir später”, sagte Scholz. Auch Konzernen wird geholfenAnders als bisher sollen sich auch Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 2 Mrd. Euro für die staatlich garantierten Kredite der KfW bewerben können. Das käme zum Beispiel der Deutschen Lufthansa zugute, die sich wegen der erheblichen Geschäftseinbußen im Zuge der Coronakrise bereits um Liquiditätshilfen aus Berlin bemüht. Außerdem sollen unter Ausschöpfung des EU-Beihilferahmens neue Förderhilfen bei der KfW aufgelegt werden, die noch von der Kommission genehmigt werden müssen.Zum Waffenarsenal, das die Bundesregierung am Freitag gegen die von der Corona-Pandemie verursachten Liquiditätsengpässe bei Unternehmen in Stellung brachte, zählen außerdem Erleichterungen bei der Stundung fälliger Steuern und für die Herabsetzung von Vorauszahlungen im laufenden Jahr. Die Stundung der Steuerschuld soll ohne Zinsen möglich sein. Im Eiltempo gesenkt werden außerdem die Hürden für Kurzarbeitergeld, für das der Bundestag bereits am Freitag einstimmig Zugangserleichterungen beschlossen hat. Sie sollen nicht nur die Unternehmen entlasten, sondern wie schon während der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 die Konjunktur stabilisieren.Staatliche Beteiligungen an Unternehmen, wie sie der Bundeswirtschaftsminister schon vor der Coronakrise mit Blick auf sensible Technologien ins Spiel gebracht hat, seien auch in Ausnahmesituationen denkbar, sagte Altmaier. Darüber werde aber erst entschieden, wenn es notwendig sei. “Ich sehe eine solche Notwendigkeit im Augenblick übrigens nicht.” Finanzminister Scholz wurde auf ein mögliches Verbot von Leerverkäufen während der Coronakrise in Deutschland angesprochen, über das nach dem Einbruch der internationalen Aktienmärkte am Donnerstag spekuliert wurde. Er äußerte sich nicht dazu.In der Wirtschaft trafen die Maßnahmen auf ein positives Echo. “Es ist jetzt entscheidend, eigentlich kerngesunde Unternehmen in dieser Sondersituation mit Liquiditätshilfen zahlungs- und handlungsfähig zu halten”, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer. “Die Maßnahmen sind effektiv, da sie direkt bei den Firmen ankommen”, lobten die Ökonomen der VP Bank.Altmaier gab der Hoffnung Ausdruck, dass Deutschland dank der vorgestellten Maßnahmen trotz Coronakrise 2020 mit einer Wachstumsdelle davonkommen und nicht in eine ökonomische Krise rutschen werde. Ansonsten werde es weitere Maßnahmen geben. Für die EU und die Eurozone rechnen Ökonomen mittlerweile mit einer Rezession.Am Montag und Dienstag treffen sich die europäischen Finanzminister in Brüssel. Scholz sagte, er wolle dafür sorgen, dass auch hoch verschuldete Länder den finanziellen Spielraum hätten, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Davon dürfte vor allem Italien profitieren, wo sich besonders viele Bürger mit dem Virus infiziert haben.