Chemische Industrie setzt auf politischen Rückenwind
Chemie setzt auf politischen Rückenwind
Ifo-Geschäftsklima steigt − Gemischter Datenkranz für Industrie im September erwartet
ba Frankfurt
Die Laune der deutschen Industrie steigt im Oktober − auch in der Chemie. Hier gilt das Strompreispaket der Bundesregierung als Stimmungsaufheller. Dennoch dürften die Septemberzahlen für Auftragseingang, Produktion und Export zeigen, wie schwach die Industrie noch auf der Brust ist.
Die Stimmung der deutschen Industrie hat sich zwar etwas aufgehellt − die Talsohle dürfte die Branche aber damit noch nicht erreicht haben. Denn sowohl das Ifo-Geschäftsklima als auch der Einkaufsmanagerindex (PMI) liegen immer noch auf niedrigem Niveau, bei Produktion und Exporten steht für September ein Rückgang zu erwarten, und der von Volkswirten erwartete Anstieg bei den Neubestellungen wird wohl erneut auf den volatilen Großaufträgen beruhen.
Höhere Erwartungen
Neben dem Auftragsmangel belastet vor allem die politische Unsicherheit die Unternehmensstimmung. Dass die Bundesregierung nun ein Strompreispaket aufs Gleis gesetzt hat, kommt in der energieintensiven chemischen Industrie daher gut an. Dies zeigt das Ifo-Geschäftsklima für die Branche, das im Oktober auf −3,1 Punkte gestiegen ist. Im Oktober lag es noch bei −13,0 Zählern. Der Anstieg beruht auf den besseren Geschäftserwartungen, während die aktuelle Lage nahezu unverändert schwach beurteilt wurde.
Effekt auf Wettbewerbsfähigkeit
„Die Unternehmen in der Chemie setzen ihre Hoffnungen auf das Strompreispaket der Bundesregierung“, kommentiert Ifo-Expertin Anna Wolf. Das Strompreispaket soll Unternehmen entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken. Unter anderem soll die EEG-Umlage abgeschafft und die Strompreiskompensation bis 2030 ausgeweitet werden. Es enthält zudem weitere Maßnahmen zur Senkung der Netzentgelte. „Im Oktober beurteilten die Chemieunternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit weniger negativ als noch im Juli“, betonten die Münchner Wirtschaftsforscher.
Kapazitäten so schwach ausgelastet wie 2009
Dem stehe allerdings die konjunkturelle Schwäche des produzierenden Gewerbes gegenüber. Die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen bleibe gedämpft, so dass der Auftragsbestand erneut zurückgegangen und die Kapazitätsauslastung auf den niedrigsten Wert seit 2009 gefallen ist. Die Erträge bewerteten die Unternehmen zunehmend kritisch. Vor diesem Hintergrund haben laut Ifo die Finanzierungsengpässe zugenommen, was die Investitionsbereitschaft in der Branche weiter hemmt. „Es ist richtig, die Unternehmen der Chemie jetzt zu entlasten, um die Produktionskapazitäten über die Konjunkturkrise hinweg in Deutschland zu erhalten“, so Wolf. Da die Gas- und Strompreise mittlerweile auf niedrigerem Niveau als zu den Zeiten der Energiekrise liegen, haben die energieintensiven Betriebe zuletzt ihren Ausstoß erhöht.
Gemischter Datenkranz erwartet
Nachdem die Industrieproduktion im August vor allem wegen eines Sondereffekts um 3,4% zugelegt hat, rechnen Experten nun mit einem Rückprall. Im Schnitt haben sie ein Minus von 1,2% auf der Rechnung. Derzeit beeinflussen die kräftigen monatlichen Schwankungen der Automobilproduktion das Gesamtergebnis − im August war die Lage der Werksferien ursächlich. Im September sind die produzierten Stückzahlen wieder deutlich gesunken, was erneut auf das Gesamtergebnis durchschlagen dürfte. Eine Gegenbewegung wird auch bei den Auftragseingängen prognostiziert − diese waren im August um 5,8% gesunken. Vor allem der „sonstige Fahrzeugbau“, zu dem die Hersteller von Flugzeugen, Schiffen, Zügen und auch Militärgerät zählen, dürfte zu einem Plus von 1,4% führen, so die Erwartung. Die Exporte dürften mit einem Minus von 1,2% hereinkommen, erwarten die Experten im Schnitt. Das Statistikamt Destatis legt am Mittwoch und Donnerstag die Zahlen zu Auftragseingang, Produktion und Außenhandel vor.
Schwächere Rückgangsraten
Einen Hoffnungsschimmer senden die endgültigen Ergebnisse der Einkaufsmanagerumfrage für Oktober. Zwar notiert der PMI mit 43,0 Punkten − nach 40,6 im September − weiter tief im rezessiven Bereich, doch schwächten sich die Rückgangsraten bei Produktion, Auftragseingängen, Beschäftigung und Lagerbeständen ab, wie S&P mitteilte. Zugleich fielen die Geschäftsaussichten etwas weniger pessimistisch aus. Allerdings schmälerten „nach wie vor vor allem die wirtschaftliche und politische Ungewissheit die Aussichten sowie die schwächelnde Automobilbranche und der vor sich hin dümpelnde Bausektor“. Besonders besorgniserregend ist für Jonas Feldhusen, Volkswirt der Hamburg Commercial Bank, welche die S&P-Umfrage sponsert, „dass das Thema Stellenabbau nicht nur bei Volkswagen, wo drei Werksschließungen und umfangreiche Entlassungen zur Diskussion stehen, sondern auf dem gesamten Arbeitsmarkt immer akuter wird“. Der sechzehnte Stellenabbau in Folge fiel zwar geringfügiger aus zuletzt, war aber der zweitstärkste seit August 2020 − also während der Coronakrise.