Finanzstabilität

China fürchtet Kapitalschwemme

Pekings Chef-Finanzaufseher tritt kontroverse Debatte über Zuflüsse aus dem Ausland los.

China fürchtet Kapitalschwemme

Von Norbert Hellmann, Shanghai

Chinas Geldpolitik ist nach offizieller Lesart gegenwärtig völlig neutral ausgerichtet, man kann sich mit Blick auf die weit fortgeschrittene Erholung der Wirtschaft vom Coronaschock im Gegensatz zu westlichen Ländern einen weitgehenden Verzicht auf monetäre Konjunkturstimuli leisten. Hinter den Kulissen allerdings rumort es dennoch ein wenig, weil die Regierung einerseits einen verstärkten Fokus auf Finanzstabilitätsgefahren und drückende Verschuldungslasten fordert, andererseits aber auch die Geldpolitik zur Anregung der Beschäftigungssituation und damit konjunkturpolitisch weiter in die Pflicht nimmt. In Sachen Finanzstabilitätsgefahren ist in den vergangenen Wochen vor allem die Rede von Assetpreisblasen am Aktien- und Immobilienmarkt. Dabei tat sich Chinas Chef-Finanzaufseher Guo Shuqing, der auch im Zentralbankrat vertreten ist, mit der These hervor, dass sich China aufgrund seines im internationalen Vergleich attraktiven Zinsgefüges, einer wiedererstarkten Währung Yuan und der insgesamt flotten Konjunkturperformance vor allzu heftigen Kapitalzuflüssen aus dem Ausland hüten müsse, um Assetpreise nicht weiter aufzublähen.

Phänomen „Hot Money“

Es geht um die berüchtigten kurzfristigen Anlagegelder, im Jargon als „Hot Money“ bezeichnet. Wegen ihres volatilen Charakters werden sie gerade in Schwellenländern als tendenziell destabilisierend angesehen. Guo zufolge muss China also darüber nachdenken, wie man sich allzu enthusiastische ausländische Investoren vom Leibe hält, um die Finanzstabilität nicht zu strapazieren.

Anfällige Schwellenländer

Nun hat sich mit dem früheren Zentralbankratsmitglied Li Daokui eine prominente Stimme gemeldet, die genau das Gegenteil befürchtet, nämlich dass ein schleichender Wandel in der US-Geldpolitik mit steigenden Zinsen den amerikanischen Finanzplatz wieder zum Kapitalmagneten macht und einen rapiden Geldabfluss aus Schwellenländern verursacht. Da gleichzeitig befürchtet werden kann, dass sich als Nachwehen zu Corona eine Welle von Zahlungsausfällen am Anleihemarkt manifestiert, sieht Li das Hot-Money-Problem eher dahingehend, dass es spätestens in der zweiten Jahreshälfte zu massiven Kapitalabflüssen aus China kommt, wie man sie in früheren Jahren öfters erlebt hatte.

Auch der gerade frisch als Berater in den geldpolitischen Rat der Zentralbank berufene Ökonom Wang Yiming äußerst latente Furcht vor Kapitalabflüssen Richtung USA, die Trubel am chinesischen Finanzmarkt verursachen könnten. Einig ist man sich also nur, dass Hot Money einigermaßen gefährlich ist. Ob dem Finanzplatz China aber nun eine unwillkommene Kapitalschwemme oder aber ein massiver Mittelabfluss droht, scheinen auch die Finanzstabilitätshüter nicht zu wissen.