Ausländische Direktinvestitionen

China hantiert mit dubiosen „Beweisen“

China fährt imposante statistische Belege für den reichlichen Zustrom ausländischer Direktinvestitionen auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber, dass ein signifikanter Anteil des Kapitals nicht wirklich aus dem Ausland stammt.

China hantiert mit dubiosen „Beweisen“

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Trotz einer Flut negativer Konjunkturnachrichten in den letzten Monaten halten chinesische Staatsmedien und Thinktanks an der Sichtweise fest, dass die fundamentale Stärke der heimischen Wirtschaft ungebrochen ist und „kleine Wackler“ wie der Wachstumseinbruch im zweiten Quartal schnell vergessen sein werden. Auch der jüngste Dämpfer in Form eines stark gebremsten Exportwachstums wird abgelächelt beziehungsweise gar nicht als solcher wahrgenommen. Am Donnerstag hieß es in den Kommentaren, dass die August-Daten nur zeigen, wie robust Chinas Außenhandel noch immer dasteht und dass er nur stärker aufdrehen kann. Als zusätzlicher Beleg für rosige Perspektiven wird ein gewaltiger Zustrom von ausländischen Direktinvestitionen nach China im bisherigen Jahresverlauf angeführt. Dies zeige ungebrochenes Vertrauen in den Standort China.

Meinungsumfragen von Verbänden und Handelskammern, die ausländische Unternehmen mit Direktinvestitionen in China repräsentieren, zeichnen freilich ein anderes Bild. Sie sehen das Geschäftsklima vor allem wegen der flauen Konjunktur, der unablässigen Corona-Res­triktionen sowie erheblicher Sicherheitsrisiken durch Chinas geopolitische Positionierung im Streit mit dem Westen kompromittiert.

Man kann festhalten, dass die Bilder von einem stark eingetrübten Investitionsklima und munter sprudelnden ausländischen Direktinvestitionen nicht wirklich zusammenpassen. Zu Letzterem weist die bekanntlich nie lügende Statistik folgendes aus: Das sogenannte „Foreign Direct Investment (FDI) in Actual Use“ ist zwischen Januar und Juli um 17,3% auf 800 Mrd. Yuan angeschwollen. Auf Dollarbasis gerechnet landet man im Vergleich zum Vorjahr bei einem Zuwachs um 21,8% auf 124 Mrd. Dollar. Dabei sieht man eine starke Verlagerung der FDI-Ströme auf Dienstleistungen.

Wasser in den Wein gießt nun allerdings eine Analyse der statistischen Einzeldaten von Bloomberg, die zum Schluss kommt, dass drei Viertel des FDI-Stroms vom vergangenen Jahr vom technisch als Ausland geltenden Hongkong aufs Festland geschwappt sind. Das gibt Stoff zum Nachdenken, weil man weiß, dass chinesische Firmen im Dienstleistungssektor, darunter die Tech-Riesen Alibaba und Tencent, neue Investments in China gerne über Hongkong finanzieren lassen.

Die so aufs Festland zurückgeschleusten Mittel gehen als ausländisches Investment in die FDI-Statistik ein, obwohl sie nur ein „Round-Tripping“, also einen Auslandsausflug heimischer Engagements darstellen. Würde man das aufs Jahr 2022 als Ausweis fortschreiben, wären 600 der 800 Mrd. Yuan an Direktinvestitionen auf Hongkong-Deals zurückzuführen, hinter denen auch chinesische Firmen stehen. Das lässt den mit der offiziellen Statistik bekundeten „Vertrauensbeweis“ ausländischer Unternehmen in den Standort China sicherlich weniger imposant aussehen.

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