Chinas Zentralbankchef lässt Herrn Minsky grüßen

Finanzstabilitätsbotschaft wird als Börsen-Menetekel missverstanden

Chinas Zentralbankchef lässt Herrn Minsky grüßen

Von Norbert Hellman, SchanghaiChinas Zentralbankpräsident Zhou Xiaochuan hat mit Äußerungen am Rande des laufenden chinesischen Parteitages für Wirbel in der internationalen Finanzgemeinde gesorgt. Der langjährige Gouverneur der People’s Bank of China (PBOC) gilt als steter Warner vor Finanzstabilitätsrisiken und hat in diesem Zusammenhang auch das Wort vom berühmt-berüchtigten Minsky-Moment in den Mund genommen. Darunter versteht man in Anlehnung an Theorien des vor 20 Jahren verstorbenen US-Ökonomen Hyman Minsky plötzlich aufkommende Krisen im Finanzsystem in wirtschaftlichen Boomphasen, die von einem Kollaps von Vermögenspreisen nach spekulativen Exzessen ausgehen.Als Paradebeispiel gilt die globale Finanzkrise. Gegenwärtig sind Minsky-Momente wieder ein heißes Eisen, zum einen, weil die Finanzkrise ihr zehnjähriges “Jubiläum” begeht, zum anderen, weil man gegenwärtig an zahlreichen Börsen in den USA und anderen führenden Industrieländern laufend neu Rekordhochstände erreicht, die nach Ansicht vieler Experten einer heftigen plötzlichen Korrektur unterstehen könnten.Zhou ging es bei seinen Äußerungen vor allem darum, auf exzessiven wirtschaftlichen Optimismus und die begleitende Gefahr von Asset-preisblasen hinzuweisen. Diese wiederum sind ein Thema bei den anhaltenden Bemühungen der chinesischen Regierung, auf die Drosselung der Verschuldung hinzuarbeiten und dämpfend auf den chinesischen Immobilienmarkt einzuwirken. HornissennestMit der bloßen Erwähnung des Minsky-Moments scheint Zhou am Donnerstag allerdings ungewollt gleichsam in ein Hornissennest gestochen zu haben. Immerhin war der 19. Oktober ja ausgerechnet der 30. Jahrestag jenes berühmten Schwarzen Montags, als an der Wall Street der höchste Tagesverlust in der US-Börsengesichte erlitten wurde. Als Chinas Finanzmärkte bereits wieder schliefen, machte sich auf der anderen Seite der Weltkugel Nervosität an den Märkten breit. Die beruhigende Botschaft der am selben Tag verbreiteten, äußerst solide wirkenden chinesischen Konjunkturdaten für das Wachstum im dritten Quartal kamen damit nicht mehr so richtig zur Geltung. VerschuldungsrisikenDie einen scheinen die Botschaft so verstanden zu haben, dass Chinas Zentralbank vor einem Einbruch an den Finanzmärkten warnt. Allerdings hatte sich Zhou bei seinen Äußerungen in keiner Weise auf westliche Märkte bezogen und hatte dabei auch nicht die heimischen Börsen im Visier. Diese weisen im laufenden Jahr im Einklang mit einer anziehenden chinesischen Wirtschaft zwar eine gute Performance auf, sind aber keineswegs euphorisch gestimmt.Auch liegt man in Schanghai und Shenzhen meilenweit von irgendwelchen historischen Rekordständen entfernt und befindet sich sogar noch unter dem Niveau, auf das die Märkte nach einem heftigen Börsencrash im Sommer 2015 herunterkorrigiert worden waren. Andere wiederum scheinen Zhou so verstanden zu haben, dass China angesichts exzessiver Verschuldungsrisiken und Spekulationsblasen an Häusermärkten der Minsky-Moment quasi bevor steht. Akademischer O-TonAuch das war freilich nicht gemeint. Vielmehr erklärte Zhou, Chinas Wirtschaftslenker seien in der Lage, solchen latenten Risiken entgegenzuwirken. In einem eher akademisch-hypothetisch wirkenden O-Ton heißt es: “Wenn es zu gehäufte prozyklische Faktoren in einer Wirtschaft gibt und zyklische Fluktuationen verstärkt werden sowie exzessiver Optimismus in einer Periode herrscht, akkumulieren sich Gegensätze, die zu einem Minsky-Moment führen können. China aber wird von einem exzessiven Optimismus herrührenden entstehenden Risiken, die einem Minsky-Moment Vorschub leisten, effektiv begegnen.”