Corona-Sorgen nehmen ab
ast Frankfurt
Nicht nur der Arbeitsmarkt, auch die Arbeitnehmer scheinen sich Schritt für Schritt von den Folgen der Coronavirus-Pandemie zu erholen. Das zumindest geht aus der Befragung hervor, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung seit April 2020 regelmäßig durchführt. Die gestern veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass das Gefühl der Belastung bei deutschen Arbeitnehmern abnimmt. Auch aus dem Währungsraum kommen erfreuliche Nachrichten: Das European Labour Market Barometer des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Kooperation mit Arbeitsagenturen in ganz Europa erhielt zwar einen leichten Dämpfer, deutet aber auf nach wie vor hohem Niveau eine weitere Erholung an.
Die repräsentative Befragung, die das WSI seit Beginn der Coronakrise einmal im Quartal durchführt, zeigt in allen befragten Bereichen eine leichte bis deutliche Erholung an. So bewerten nur noch 19% der Befragten ihre familiäre Situation als äußerst oder stark belastend. Im Januar war es noch jeder Dritte. Auch bei der Arbeitssituation verzeichnet das WSI einen leichten Rückgang von 32 auf 27% der Befragten. Die geringste Verbesserung registrieren die Wissenschaftler bei der finanziellen Situation. 17% der Befragten empfinden diese als äußerst oder stark belastend. Im Januar lag der Wert bei 19%. Die Gesamtsituation bewerten noch 29% kritisch – nach 40% im Januar.
Dass nicht mehr der Befragten ihre finanzielle Situation beklagen, ist insofern erstaunlich, als mehr als jeder Zweite von ihnen (53,2%) nach eigenen Angaben bis Juli Einbußen beim Einkommen hinnehmen musste. Davon betroffen waren insbesondere Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von bis zu 2000 Euro. Aber auch bei den Haushalten, die netto mehr als 4500 Euro zur Verfügung haben, registrierten 2 von 5 Befragten Einbußen. Wenig überraschend ist unter diesen Gesichtspunkten, dass die Sorge vor einer steigenden sozialen Ungleichheit weit verbreitet ist. 87% der Befragten machen sich darum einige oder sogar große Sorgen.
Trotz insgesamt abnehmender Sorgen ist auch die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung stark gesunken. Unter den Befragten sind die Unzufriedenen mittlerweile deutlich in der Mehrheit. Im Juli 2021 äußerten sich 59% kritisch zur Krisenbewältigung durch die Politik – 15 Prozentpunkte mehr als im November und sogar 26 Prozentpunkte mehr als im Sommer 2020. „Gleichzeitig scheinen die Menschen aber das Gefühl zu haben, dass der Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme im Großen und Ganzen funktionieren“, kommentiert Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.
Frühindikator sinkt leicht
Das European Labour Market Barometer ging derweil im Juli um 0,4 auf 104,8 Punkte zurück. Das sei aber kein Grund zur Sorge, wie Enzo Weber, zuständiger Forschungsleiter des IAB, erklärt: „Die europäischen Arbeitsverwaltungen sehen die Arbeitsmärkte in Europa weiter im Aufwind. Aber die Sorge vor den wirtschaftlichen Auswirkungen einer neuen Corona-Welle nimmt zu.“ In allen teilnehmenden Ländern liegen die Werte des Arbeitsmarkt-Frühindikators im positiven Bereich bei 100 Punkten oder höher.