Das Bargeld absichern – jetzt!
Das Bargeld absichern – jetzt!
Die Nutzung von Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel sollte unabhängig von der Frage, wann und in welcher Form ein digitaler Euro als weiteres gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt wird, abgesichert werden. Die Verwendung von Bargeld ist nicht nur eine emotionale Frage, sondern letztlich geht es – wie beim Bargeld-Symposium der Bundesbank Anfang Februar deutlich geworden ist – um die Widerstandsfähigkeit unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems in Krisensituationen. Hierbei ist nicht nur an das Risiko größerer Stromausfälle oder Naturkatastrophen zu denken, sondern zunehmend leider auch an Attacken zur Störung des Internets und digitaler Systeme durch terroristische Anschläge. Dies könnte einen „Kreislaufkollaps“ der Wirtschaft auslösen, wenn nicht eine funktionierende Bargeldinfrastruktur weiter zur Verfügung steht. Selbst eine „Offline-Variante“ eines künftigen digitalen Euro – also Transaktionen im digitalen Euro ohne Internet, zum Beispiel über Bluetooth-Verbindung von Handy zu Handy – setzt eine allgemeine Stromversorgung zum Aufladen der Smartphone-Akkus voraus.
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Unabhängig davon bietet Bargeld – im Rahmen des Strafrechts und der allgemeinen Gesetze zur Geldwäscheprävention – einen hohen Schutz der Privatsphäre. Bargeld ist nicht nur „gemünzte Freiheit“ (Dostojewski), sondern auch praktizierter Datenschutz, ganz ohne Datenschutz-Bürokratie. In der Zeit der Negativzinsen unter dem früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi haben viele das Bargeld auch in seiner Wertaufbewahrungsfunktion schätzen gelernt, weil es der Entwertung von Geldanlagen durch Negativzinsen Grenzen setzt.
Zu weiche Formulierungen
Da Geschäfte und Gastronomiebetriebe zunehmend in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder mit „No Cash“-Schildern die Nutzung von Bargeld ausschließen, ist es Aufgabe des europäischen Gesetzgebers, die in Art. 128 der Europäischen Verträge (AEUV) vorgesehene Funktion des Euro-Bargeldes als gesetzliches Zahlungsmittel durch zusätzliche Bestimmungen abzusichern. Dies soll nach öffentlichen Erklärungen durch die von der EU-Kommission geplante Bargeld-Verordnung im Rahmen eines „Single Currency Package“ zur Einführung des digitalen Euro auch geschehen. Leider ist damit das Problem noch nicht gelöst.
Erstens ist der Entwurf der Verordnung der EU-Kommission vom Juni 2023 zwar äußerlich umfangreich, aber im entscheidenden Punkt des Anspruchs eines Kunden auf die Verwendung von Bargeld im geschäftlichen Verkehr „weich“ formuliert. Nach Art. 5 des Entwurfs wäre der Ausschluss von Bargeld, etwa in AGB oder mit „No Cash“-Schildern weiterhin möglich. Auch die Geltung des Verordnungsentwurfs für öffentliche Institutionen bedürfte der Klarstellung.
Zahlungsmittel zweiter Klasse
In der bisher gleichzeitig geplanten Verordnung zur Einführung eines digitalen Euro wird in Art. 12 Abs. 2 sogar unterstellt, dass Zahlungen in Euro-Banknoten und -Münzen vom Zahlungsempfänger im Einzelfall zurückgewiesen werden können. Denn für diesen Fall ist die verpflichtende Entgegennahme von digitalen Euro vorgesehen. Bargeld würde somit zum gesetzlichen Zahlungsmittels zweiter Klasse gegenüber dem digitalen Euro.
Zweitens sollte die Bargeld-Verordnung unabhängig vom Rechtsrahmen des digitalen Euro bereits im Jahr 2025 beschlossen werden, da die zahlreichen bereits vom privaten Sektor angebotenen digitalen Zahlungsmöglichkeiten einen immer größeren Marktanteil erreichen; es könnte über kurz oder lang zu einem „Kipp-Punkt“ in der Bargeldnutzung kommen. Demgegenüber erscheinen jedenfalls nach dem in der Öffentlichkeit bekannten Verfahrensstand noch viele grundsätzlichen Fragen des digitalen Euro ungelöst, sodass sich dessen Einführung noch verzögern könnte.
Zu viele ungelöste Probleme
Dies gilt für die Auswirkungen eines digitalen Euro auf die Einlagenseite der Kreditwirtschaft und damit auf die Kreditversorgung: Wenn Bankeinlagen – vielleicht unter dem Einfluss ungeprüfter Meldungen auf Social-Media-Kanälen – in Sekundenschnelle in Notenbankgeld gewechselt werden können, besteht die Gefahr eines „Leerlaufens“ der Einlagenseite der Institute, und zwar nicht erst bei einem ausgeprägten „digitalen Bank Run“, sondern bereits weit im Vorfeld.
Die Erfahrungen, die die USA 2023 in der sog. Silicon-Valley-Krise machen mussten, sind hier eine Warnung. Bei den bisher als Schutzvorkehrungen diskutierten Obergrenzen für den digitalen Euro sind die Fragen nach Umgehungsmöglichkeiten, Komplexität und Risikoanfälligkeit (insbesondere des für überschießende Zahlungen notwendigen „Wasserfall-Verfahrens“ zum Giralgeld der Banken) wohl noch genauso wenig beantwortet wie der Zielkonflikt von Obergrenzen mit der Attraktivität des digitalen Euro.
Zeit drängt bei Bargeld-Verordnung
Auch vorgelagerte Fragen, etwa nach dem Energieverbrauch bei Nutzung der Blockchain oder inwieweit ein digitaler Euro grenzüberschreitend nutzbar und gleichzeitig aus übergeordneten politischen Gründen Sanktionen durchsetzbar sein sollen, wie dies etwa derzeit beim Ausschluss Russlands aus dem Swift-Verfahren der Fall ist, sind keineswegs trivial. Aus diesen und anderen Gründen scheint es nicht ausgeschlossen, dem Beispiel der Schweiz zu folgen und den digitalen Euro für eine Übergangszeit lediglich dort anzubieten, wo er zunächst gebraucht wird, nämlich als „wholesale currency“ für Finanzinstitute zur Abwicklung von Transaktionen mit digitalen Wertpapieren.
Demgegenüber sind die in der Bargeld-Verordnung zu regelnden Fragen rechtlich und technisch überschaubar, zeitlich aber dringend.