KommentarPolitische Krise Frankreich

Das Recht der Stärkeren

Frankreichs neuer Premierminister reicht der linken Opposition die Hand. Doch das dürfte letztendlich nicht ausreichen, um die Regierungskrise zu beenden. Denn es geht der Opposition vielmehr um das Spektakel.

Das Recht der Stärkeren

Misstrauensantrag

Das Recht der Stärkeren

Frankreichs neuer Premierminister macht Zugeständnisse.

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Von Gesche Wüpper, Paris

Es war der erste große Test für Frankreichs neuen Premierminister François Bayrou. Doch ob er ihn tatsächlich überstanden hat, wird sich erst am Donnerstag herausstellen, wenn über den von La France insoumise, Grünen und Kommunisten eingereichten Misstrauensantrag abgestimmt wird. In einer anderthalbstündigen Regierungserklärung hatte Bayrou den Abgeordneten der Nationalversammlung am Dienstag seine Analyse der Lage geliefert, in der sich das Land befindet, und eindringlich um Zustimmung gebeten. Die Diagnose könnte treffender nicht sein: Frankreich ächzt unter einer viel zu hohen Schuldenlast, für die nicht nur die Regierungen der letzten Jahrzehnte, sondern auch die Opposition mit ihren ständigen Forderungen nach neuen Ausgaben und weniger Einsparungen verantwortlich sind. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie zuletzt der Sturz der Regierung von Bayrous Vorgänger Michel Barnier Anfang Dezember gezeigt hat.

Zugeständnisse an die Linke

Frankreich braucht aber dringend wieder Stabilität. Ohne Stabilität wird es nicht gelingen, einen Haushalt für 2025 zu verabschieden und so die Ungewissheit zu beenden, die landesweit auf der Stimmung lastet. Um sich die Zustimmung der Sozialisten und anderer linker Oppositionsparteien zu sichern, ist Bayrou zu Zugeständnissen bereit. Er bietet sogar an, die bei vielen Franzosen so unbeliebte Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron mit den Sozialpartnern neu verhandeln zu wollen, und akzeptiert damit, dass die überfällige Sanierung der öffentlichen Finanzen allein um des lieben Friedens willen aufgeweicht wird.

Ob Bayrous Angebot, erneut über die Rentenform und die darin vorgesehene Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zu verhandeln, ausreichen wird, ist gleichwohl fraglich. Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire (NFP) und der rechtsextreme Rassemblement National (RN) hatten eigentlich auf eine Aussetzung oder Aufhebung gedrungen.

Schau statt Inhalte

Bei der Abstimmung über den Misstrauensantrag am Donnerstag dürfte Bayrou noch mit einem blauen Auge davonkommen. Aber schon kurz danach bei der Haushaltsdebatte gibt es das nächste Aufeinandertreffen: Bayrou will das Defizit von 6,1% auf 5,4% senken, bis 2029 dann auf 3%. In der heutigen Welt geht es jedoch längst nicht mehr um vernünftige Debatten, gültiges Recht und Normen, sondern um das Recht des Stärkeren, klagt Bayrou. Das kann auch ihm zum Verhängnis werden. Denn der Opposition geht es nicht um Inhalte, sondern um das inszenierte Spektakel. Und was wäre aufsehenerregender, als eine Regierung in die Knie zu zwingen?