Demokraten am Zug
Nach Donald Trumps sensationellem Wahlsieg vor zwei Jahren war es völlig verständlich, dass man diesmal den Wählerumfragen mit einer gesunden Portion Skepsis gegenüberstand. Dennoch sollte der Etappenerfolg, den die Demokraten am Dienstag bei den US-Kongresswahlen feierten, keinen überraschen. Ein Durchmarsch war es keineswegs, wie sich am Ausbau der republikanischen Mehrheit im Senat zeigt. Doch werden sie das Repräsentantenhaus kontrollieren und können somit einen unberechenbaren Präsidenten zumindest einigermaßen in Schach halten. Auch haben sie sich eine gute Ausgangsposition verschafft für die nächste Präsidentschaftswahl.Eine Mehrheit der Wähler hat bei den “Midterms” eine Regierungspartei abgestraft, die seit Jahren eine im Grunde heuchlerische Politik verfolgt. Jedes Gesetzesvorhaben des demokratischen Präsidenten Barack Obama haben sie zu blockieren versucht. Seitdem aber Donald Trump im Weißen Haus das Sagen hat, versuchen sie im Eilverfahren, jeden Vorstoß durch den Kongress zu peitschen, und zwar ohne Rücksicht auf politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Folgen.So verhielt es sich mit dem Versuch, Obamacare zu kippen, mit Trumps Steuerreform und zuletzt dem Beharren darauf, dass ein mit harten Vorwürfen behafteter hoher Richter die entscheidende Stimme bei verfassungsrechtlich relevanten Grundsatzurteilen abgeben kann. Für diese rigide Kompromisslosigkeit und das mangelnde Rückgrat, welches Republikaner bewiesen, indem sie es nicht wagten, Trump die Stirn zu bieten, mussten sie nun einen Preis zahlen.Selbst wenn der Präsident davon nichts wissen will, war die Wahl natürlich auch ein Referendum über seine ersten zwei Jahre im Amt. Ein Referendum über seinen rabiaten, undiplomatischen Regierungsstil, die Diffamierung politischer Gegner, seine Alleingänge und die Abkehr von völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarungen. Die entscheidende Frage ist natürlich für Trump ebenso wie seine Parteifreunde im Kongress, wie es nun in Washington weitergeht.Abgesehen von forcierten Gesetzen, die ausschließlich den Interessen der republikanischen Wählerschaft, aber keineswegs jenen aller Amerikaner dienen, haben sie während der vergangenen Jahre so gut wie nichts erreicht, wie sich am Beispiel der Steuerreform zeigt. Die Senkung der Unternehmensteuer hat Investitionen angekurbelt und neue Stellen geschaffen. Auf der Einkommensteuerseite profitieren aber hauptsächlich die Wohlhabendsten, die in der Regel republikanische Wähler sind. Nun aber sind die Fronten festgefahrener denn je, und der Kongress ist gespalten. Kurzum: Das Parlament könnte politisch erstarren und Trump kein einziges Gesetz mehr durch beide Kammern bekommen. So gesehen darf man gespannt sein, was Trump noch alles per Dekret umzusetzen versuchen wird.Wichtig ist aber keineswegs nur, wie sich nun die Republikaner verhalten, denn zum ersten Mal seit vier Jahren führen nicht mehr sie allein die Geschäfte im Kongress. Mit Blick auf das große Wahljahr 2020 wird entscheidend sein, was Demokraten in ihrer neuen Rolle machen werden. Sollte Trump tatsächlich mit Mexiko und Kanada ein vernünftiges Nachfolgeabkommen zur nordamerikanischen Freihandelszone Nafta zimmern, dann sollten sie dieses nicht kurzerhand blockieren, sondern konstruktiv auf einen Kompromiss hinarbeiten. Dasselbe gilt für andere legislative Vorstöße, ob es um Ausgabengesetze, Nachbesserungen zu Obamacare oder insbesondere die dringend notwendige Einwanderungsreform geht.—–Von Peter De ThierGelingt es den US-Demokraten, konstruktive Kompromisse zu schließen, können sie in zwei Jahren beide US-Kammern und die Präsidentschaft gewinnen.—–