Demokraten erobern US-Senat
Durchaus überraschend werden die Demokraten in beiden Kammern des US-Kongresses zum ersten Mal seit zehn Jahren die Mehrheit stellen. Knappe Siege demokratischer Senatskandidaten bei den Stichwahlen in Georgia werden die Handlungsfähigkeit des künftigen Präsidenten Joe Biden deutlich erhöhen.det Washington – Mit ihrem wahrscheinlichen Durchmarsch bei den Stichwahlen für den US-Senat haben die demokratischen Kandidaten Raphael Warnock und Jon Ossoff sichergestellt, dass der künftige US-Präsident Joe Biden mit einem fliegenden Start sein neues Amt antreten kann. Biden musste am Mittwoch lediglich die Auszählung der Elektorenstimmen im Kongress abwarten. Republikaner, die Bidens Sieg nicht anerkennen, wollten versuchen, die formelle Besiegelung des Endergebnisses hinauszuzögern.Obwohl die obere Kongresskammer sich aus jeweils 50 Demokraten und Republikanern zusammensetzen wird, wird Biden deswegen die Rückendeckung seiner Parteikollegen haben, weil bei einem Patt seine Vizepräsidentin Kamala Harris die entscheidende Stimme abgeben wird. Das wird die Chancen des neuen Präsidenten deutlich erhöhen, ambitionierte Gesetzesvorhaben durchzusetzen, unter anderem in der Gesundheits-, Steuer- und Energiepolitik.Gute Aussichten werden somit seine Pläne habe, den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 % zu erhöhen. Dieser hatte vor der Verabschiedung der Steuerreform unter Präsident Donald Trump bei 35 % gelegen. Auch will der Demokrat den Spitzensteuersatz für Haushalte erhöhen, Wohlhabende also stärker zur Kasse bitten und im Gegenzug die Mittelklasse entlasten. Chancen, in Gesetzesform gegossen zu werden, hat nun auch sein Vorhaben, über Investitionen in erneuerbare Energien 10 Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen. Progressive im Aufwind Seit seinem Wahlsieg im November hat Biden teilweise auch dem Druck des von Senator Bernie Sanders angeführten progressiven Parteiflügels nachgegeben. Biden ist nun bereit, für Akademiker, die weniger als 125 000 Dollar pro Jahr verdienen, Schulden aus Studentendarlehen zu streichen. Auch will er das Mindestalter für Bezieher der gesetzlichen Krankenversicherung Medicare von 65 auf 60 senken.Der Pastor Raphael Warnock (51) wird der erste afroamerikanische Senator in der Geschichte des traditionell republikanischen Südstaats sein. Er setzte sich gegen die Trump-Anhängerin Kelly Loeffler durch. Der historische Sieg “ehrt mich zutiefst”, sagte Warnock. Er erzählte von seiner 82-jährigen Mutter, die “als Teenager Baumwolle pflücken musste und nun mit 82 Jahren ins Wahllokal ging, um für ihren jüngsten Sohn als Senator zu stimmen”. Jon Ossoff (33), ein Journalist und Produzent von Dokumentarfilmen, verbuchte nach Auszählung von mehr als 98 % der Stimmen einen Vorsprung von 16 000, erschien aber deswegen uneinholbar, weil die ausstehenden Wahlbezirke als vorwiegend demokratisch gelten. Verantwortung bei Trump Zu der Stichwahl war es deswegen gekommen, weil am 3. November kein Kandidat, wie es das Gesetz in Georgia vorschreibt, mehr als 50 % der Stimmen vereinen konnte. An einem spannenden Wahlabend standen die Ergebnisse lange Zeit auf der Kippe. Entscheidend war letzten Endes die spät eintreffende Auszählung in dem Bezirk DeKalb County, einem vorwiegend demokratischen Vorort der Hauptstadt Atlanta.Republikaner begründeten ihre Niederlage unter anderem mit der Wahlbeteiligung, die geringer ausfiel, als erwartet worden war. Wegen der Corona-Pandemie hatten die meisten Demokraten wie auch im November ihre Stimmen vorzeitig abgegeben. Eine entscheidende Rolle spielte aber auch der scheidende Präsident Donald Trump, der bis zuletzt über angebliche Wahlmanipulation in einem Staat schimpfte, den er ebenfalls verloren hatte. Dies könnte viele Republikaner davon abgehalten haben, sich an der Stichwahl zu beteiligen, glauben Experten. “Die Schuld an der Niederlage liegt einzig und allein beim Präsidenten”, erklärte der Republikaner Brad Raffensperger, der als Innenminister von Georgia verantwortlich für die Durchführung der Wahlen war.