GastkommentarDigitales Zentralbankgeld

Der digitale Euro ist ein ordnungspolitischer Sündenfall

Die Einführung eines digitalen Euro wäre eine Grenzüberschreitung der EZB, die eine schwere Hypothek für das neue Zahlungsmittel werden dürfte, schreibt der Ökonom Peter Bofinger in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung.

Der digitale Euro ist ein ordnungspolitischer Sündenfall

Digitaler Euro als ordnungspolitischer Sündenfall

Seit Jahrzehnten gibt es eine klare Arbeitsteilung zwischen den staatlichen Notenbanken auf der einen Seite und privaten Banken und Zahlungsdienstleistern auf der anderen Seite. Die Notenbanken versorgen Unternehmen und private Haushalte mit Bargeld. Die Geschäftsbanken stellen das digitale Geld in der Form von Sichteinlagen zur Verfügung. Beim Zahlungsverkehr bieten private Anbieter (Kreditkartengesellschaften, Sepa, Paypal) die Infrastruktur für die Informationsströme zwischen Zahlern und Zahlungsempfängern. Die Notenbanken sorgen für die Abwicklung der Zahlungsströme zwischen den beteiligten Banken.

Mit der von der Europäischen Zentralbank geplanten Einführung des digitalen Euro wird diese Arbeitsteilung grundlegend infrage gestellt. Die EZB wäre dann nicht Anbieter von physischem Geld, sondern auch von digitalem Geld. Außerdem sollen die Banken verpflichtet werden, gleichsam im Auftrag der EZB kostenlos Konten für den digitalen Euro für private Haushalte zu eröffnen und zu führen. Mit diesen staatlichen Konten sollen sie sich dann selbst Konkurrenz machen. Zudem ist zu befürchten, dass die EZB auch im Zahlungsverkehr in die Sphäre privater Anbieter eindringt, indem sie eine Infrastruktur für die Kommunikation zwischen Käufern und Händlern anbietet.

Wissenschaftliche Analysen fehlen

In der Volkswirtschaftslehre ist es unstrittig, dass ein so schwerwiegender staatlicher Eingriff in das Marktgeschehen mit einem „Marktversagen“ begründet werden muss. Die EZB hat sich bisher nur wenig darum bemüht, dies im Einzelnen zu erklären. Der digitale Euro diene als „monetärer Anker“, heißt es beispielsweise. Aber die EZB hält es nicht der Mühe wert, dieses Argument nicht nur in Reden, sondern auch einmal in einer fundierten wissenschaftlichen Analyse zu präsentieren.

Peter Bofinger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg. Von März 2004 bis Ende Februar 2019 war er als „Wirtschaftsweiser“ Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zudem beschäftigt er sich in seiner akademischen Laufbahn intensiv mit dem Thema digitales Zentralbankgeld (CBDC). Foto: picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst

Natürlich kann man die Notwendigkeit einer europäischen Zahlungsplattform für private Haushalte und den Handel mit der Dominanz US-amerikanischer Anbieter begründen. Aber es ist alles andere als zwingend, dass man dafür eine staatliche Lösung benötigt. Vielmehr könnte man auf den vorhandenen privaten Infrastrukturen, insbesondere dem Sepa-System, aufbauen und dieses für Kartenzahlungen im Einzelhandel aufrüsten. Genau das versucht derzeit die Europäische Zahlungsinitiative.

Digitaler Euro verursacht massive Kosten

Es ist deshalb schwer nachvollziehbar, wieso die EZB in ihrer Argumentation für den digitalen Euro in keiner Weise auf diese Fragen einzugehen bereit ist. Dies ist umso gravierender, als die von der EZB geplante Errichtung eines Paralleluniversums von Konten für den digitalen Euro mit massiven Kosten und Risiken verbunden ist.

Geringe Erfolgsaussichten

Auch wenn die EZB argumentiert, dass den Verbrauchern keine direkten Kosten für Transaktionen mit dem digitalen Euro entstehen, muss das Projekt letztlich von den Privaten finanziert werden. Die Kosten für die Banken werden sich in höheren Zinsen für Kredite niederschlagen, die Kosten des Eurosystems schmälern die Gewinne der Notenbanken und müssen so von den Steuerzahlern getragen werden.

Bei alledem sind die Erfolgsaussichten des Projekts auch noch äußerst gering. Wie will man den Bankkunden erklären, dass sie ein zusätzliches Konto eröffnen sollen, um darauf Guthaben in digitalen Euro zu halten? Das einzige Argument dafür könnte sein, dass das Geld auf diesem Konto sicherer ist als auf dem Konto bei einer Geschäftsbank.

Doch mit einer Unterscheidung zwischen einem Geld erster Güte und einem Geld zweiter Güte würde die EZB das Vertrauen in das private Bankensystem untergraben. Und sie müsste sich dann mit der Frage auseinandersetzen, wieso es eine so niedrig angesetzte Haltegrenze für das „gute Geld“ gibt. Zudem wäre der Eindruck eines Qualitätsunterschieds unzutreffend, da Guthaben bei Geschäftsbanken bis zu 100.000 durch die Einlagensicherung genauso sicher sind wie ein Guthaben bei der EZB.

Unklar ist auch, ob sich die EZB mit dem digitalen Euro im Wettbewerb mit privaten Zahlungsplattformen durchsetzen könnte. Anbieter wie Paypal stellen ja nicht nur eine Infrastruktur für die reinen Zahlungen zur Verfügung. Vielmehr bieten sie ein breites Dienstleistungsspektrum für Käufer wie Händler: insbesondere Kreditfazilitäten für Käufer sowie Käufer- und Verkäuferschutzprogramme. Es ist schwer vorstellbar, dass sich eine Notenbank in solche Aktivitäten begibt, und es ist zudem zu befürchten, dass sie dabei nicht die Flexibilität und Kreativität privater Anbieter an den Tag legen wird.

Grenzüberschreitung der EZB

Natürlich kann die EZB versuchen, den digitalen Euro durch staatlichen Zwang durchzusetzen. So hat Bundesbankvorstand Burkhard Balz davon gesprochen, dass man Kindergeldzahlungen und andere staatliche Leistungen auf Konten für den digitalen Euro auszahlen könne. Ähnliche Versuche wurden bereits in China unternommen, aber mit dem Ergebnis, dass die Mittel dann unmittelbar wieder auf das traditionelle Bankkonto überwiesen wurden. Es ist mittlerweile wohl zu spät, den digitalen Euro noch zu bremsen. Aber die von der EZB vorgenommene Grenzüberschreitung in private Geschäftsfelder dürfte sich als schwere Hypothek erweisen. Es wird jenen Auftrieb geben, die in Europa ein übergriffiges Wesen sehen, das sich ungefragt und ohne Not in das Leben seiner Bürger einmischt.


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Peter Bofinger

Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg