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Der Mindestlohn verhindert die Integration

Börsen-Zeitung, 9.1.2016 "Integration" lautet das Zauberwort, mit dem die Politiker der Regierung wie auch der Opposition aus der Flüchtlingskrise eine Zuwanderungschance machen wollen. Aber Integration in was? In die Schicksalsgemeinschaft der...

Der Mindestlohn verhindert die Integration

“Integration” lautet das Zauberwort, mit dem die Politiker der Regierung wie auch der Opposition aus der Flüchtlingskrise eine Zuwanderungschance machen wollen. Aber Integration in was? In die Schicksalsgemeinschaft der geschätzt 660 000 “Altfälle”, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) laut Behördenchef Frank-Jürgen Weise als unbearbeitete Asylanträge bereits ins Jahr 2016 vorgetragen wurden? Oder Integration in das derzeit immer noch 2,7 Millionen Menschen zählende Heer der Arbeitssuchenden in Deutschland? Oder Integration in jene rekordhohe Zahl von 43 Millionen Menschen, die hierzulande einen Job haben? Letzteres wäre wünschenswert, gilt doch eine Arbeitsstelle als Dreh- und Angelpunkt jeglicher Integration in die Gesellschaft. Leider ist dies angesichts der geltenden Rahmenbedingungen nicht sehr wahrscheinlich. Migranten fehlt AusbildungFrank-Jürgen Weise, zugleich auch Chef der Bundesagentur für Arbeit, rechnet für Ende dieses Jahres mit “nur” 200 000 arbeitslosen Flüchtlingen. Der Mann ist unverbesserlicher Optimist – das muss er auch sein, sonst ließe sich die Verantwortung an der Spitze dieser beiden Behörden wohl nicht ertragen. Aber ist er auch Realist? Seine eigene Behörde hat festgestellt, dass drei von vier Flüchtlingen nicht über eine adäquate Berufsausbildung verfügen. Ohne gute Deutschkenntnisse ist dieses Manko nicht auszugleichen, schnell schon gar nicht. Entsprechend verweist die Bundesregierung auf Erfahrungswerte, wonach erst nach fünf Jahren etwa die Hälfte der Flüchtlinge in eine Arbeitsstelle vermittelt worden sein dürfte. Bisher nichts kaputt gemachtUnd auch die Bundesregierung ist unverbesserlicher Optimist, wenn sie Erfahrungswerte extrapoliert. Denn “einfache” Jobs lassen sich in einer hoch entwickelten Volkswirtschaft nicht beliebig schaffen, schon gar nicht, wenn ein Mindestlohn das Entstehen solcher Stellen verhindert und weniger Qualifizierten den Zugang erschwert. Angesichts der Herausforderung, die mit den zuströmenden Flüchtlingen auf den deutschen Arbeitsmarkt zukommt, kann man nur den Kopf schütteln über all die lobhudelnden Geburtstagsständchen, die dem Mindestlohn dieser Tage zum einjährigen Bestehen gesungen wurden.Rund 3,7 Millionen Beschäftigte hätten von der seit 1. Januar 2015 geltenden Lohnuntergrenze von 8,50 Euro je Stunde profitiert, preist man im Bundesarbeitsministerium den “historischen Meilenstein”. Aber hätten diese Beschäftigten in einer Zeit, in der vielerorts schon der gern zitierte Pizzabote einen Stundenlohn von 10 Euro bekommt, nicht ohnehin Löhne von 8,50 Euro oder mehr je Stunde erhalten? Fakt ist ja, dass in sehr vielen Branchen die tariflichen Mindestlöhne deutlich über jenen 8,50 Euro liegen und die effektiven Löhne noch höher. Deswegen bringt ein solcher moderat angesetzter Mindestlohn in konjunkturell guten Zeiten nur wenigen Beschäftigten etwas. Aber immerhin schadet er auch kaum.Die durch den Mindestlohn wegfallenden oder gar nicht erst geschaffenen Stellen lassen sich zwar nicht beziffern – Schätzungen lauten auf einige Zehntausend -, fallen angesichts der guten Beschäftigungsentwicklung aber auch nicht ins Gewicht. Mit anderen Worten: Deutschland konnte sich den Mindestlohn 2015 gut leisten; er hat nicht viel gebracht, vermutlich aber auch nicht viel kaputt gemacht.Völlig anders ist die Lage im konjunkturellen Abschwung, der für Deutschland zum Glück nicht prognostiziert wird, und insbesondere für den Fall, dass viele ungelernte oder unpassend qualifizierte Arbeitskräfte auf den Markt strömen. Letzteres wird 2016 und in den folgenden Jahren mit der Flüchtlingswelle evident. Dann zeigt sich, dass der Mindestlohn neben Sprachbarrieren und bürokratischen Hürden ein Haupthinderungsgrund für die Beschäftigung von Migranten ist.Das hat nicht nur eine Befragung von 3 000 Unternehmen durch das Ifo-Institut im vergangenen Oktober ergeben, sondern wird auch an früheren Erhebungen deutlich. Im Jahr 2013, also vor der Einführung des Mindestlohns, verdiente fast die Hälfte der Einwanderer aus dem nichtwestlichen Kulturkreis, die weniger als fünf Jahre in Deutschland lebten, weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Das legt nahe, dass nur wenige der schon im Land befindlichen und 2016 noch zuströmenden Flüchtlinge eine Beschäftigung finden werden, solange der gesetzliche Mindestlohn auch für sie gilt. Der Mindestlohn ist eine gravierende Beschäftigungshürde und damit ein Integrationskiller.Aber das ficht Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles nicht an, sie setzt sogar auf eine Erhöhung des Mindestlohns zum frühestmöglichen Termin, also für 2017, durch die zuständige Kommission aus Gewerkschaften und Arbeitgebern. Da Flüchtlinge eher selten Gewerkschaftsmitglied und noch seltener Arbeitgeber sind, können sie die Hoffnung begraben, von diesem Kartell der Arbeitsplatzbesitzer eine Herabsetzung der Eintrittsbarriere in den deutschen Arbeitsmarkt zu erhalten. Chance auf den ArbeitsmarktNatürlich sollte und darf bei der Lohnfindung nicht zwischen Flüchtlingen und Nichtflüchtlingen unterschieden werden. Eine Aufhebung des gesetzlichen Mindestlohns allein für Flüchtlinge verbietet sich aus sozialen, rechtlichen und ökonomischen Gründen. Der einzig richtige Schritt wäre deshalb die generelle Abschaffung des Mindestlohns.Die aktuell Beschäftigten müssten keine Lohneinbußen befürchten, für alle Arbeitssuchenden wäre es dagegen die Chance zum Einstieg in den Arbeitsmarkt. Gering qualifizierte Zuwanderer wären nicht von vornherein zum Nichtstun oder zum Ausweichen in die Schattenwirtschaft gezwungen. Wer den Schritt in eine bezahlte Beschäftigung geschafft hat, findet leichteren Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen und ist auch eher motiviert, durch Aus- und Weiterbildung den Lohn zu steigern. Ohne Mindestlohn kann Integration gelingen.—-c.doering@boersen-zeitung.de——–Von Claus DöringDer Mindestlohn wird neben den Sprachbarrieren der Hauptgrund für die steigende Arbeitslosigkeit unter den Flüchtlingen sein.——-