Konjunktur

Deutsche Industrie badet in Auftragsflut

Die deutsche Industrie hat im März zum dritten Mal in Folge mehr Aufträge generiert als im Vormonat. Dass auch die Umsätze zugelegt haben, schürt die Hoffnung auf ein Produktionsplus – trotz der akuten Knappheiten.

Deutsche Industrie badet in Auftragsflut

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie badet derzeit in einer wahren Auftragsflut. Im März legten die Orderzahlen dank der anziehenden globalen Konjunktur und einer kräftigeren Inlandsnachfrage stärker als erwartet zu und auch die Industrieumsätze erholten sich. Dies schürt die Hoffnung, dass nun auch die vom eklatanten Materialmangel gebremste Produktion wieder in Gang kommt. Ökonomen erwarten, dass die Lieferengpässe bald aufgelöst werden und die Industrie wieder einen spürbaren Wachstumsbeitrag liefert – wenn auch etwas später als gedacht.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) sammelte das verarbeitende Gewerbe im März 3,0% mehr Neubestellungen als im Vormonat ein. Ökonomen hatten zwar das dritte Plus in Folge erwartet, allerdings nur in Höhe von 1,5%. Zudem erklärten die Wiesbadener Statistiker, dass die Orderzahlen im Februar um 1,4% statt der zuvor gemeldeten 1,2% geklettert waren. Dass die „Coronascharte längst ausgewetzt“ ist, wie VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel sagt, zeigt sich am Vergleich zu Februar 2020, dem letzten von Corona ungetrübten Monat: Hier steht ein Plus von 9,1%. Damit wurde­ das Vorkrisenniveau den sechsten Monat in Folge übertroffen, wie das Bundeswirtschaftsministerium betonte. Da auch der Auftragsbestand über dem Vorkrisenniveau und die Reichweite mit 7,1 Monaten auf einem Rekordstand liegt, sieht Gitzel „das Jahr 2021 für das verarbeitende Gewerbe bereits gesichert“.

Die sprunghafte Erholung der Nachfrage aber „führt auch zu ungewollten Bremseffekten“, betonte Jörg Zeuner, Chefvolkswirt bei Union Investment. In einigen Branchen sei die Nachfrage so stark gestiegen, dass Vorprodukte knapp geworden sind. „Die Produktion kann dann gar nicht so schnell hochgefahren werden, wie es mit Blick auf die Nachfrage möglich wäre“, so Zeuner. Einer Ifo-Umfrage zufolge klagten im April 45% der Unternehmen – und damit so viele wie noch nie – über Engpässe bei Vorprodukten. Zeuner sieht für die deutsche Indus­trie aber auch eine gute Nachricht: „Neben Konsumgütern dürften auch Investitionsgüter angesichts anstehender Erweiterungsinvestitionen in diesem Zyklus noch nicht den Nachfragehöhepunkt gesehen haben.“

Neben der coronabedingten Verschiebung des privaten Konsums weg von Dienstleistungen hin zu Indus­triegütern habe auch die synchrone kräftige Belebung der Konjunktur in China, den USA und Europa dazu geführt, dass sich die heimische Industrie kaum vor Aufträgen retten könne, erklärte Jörg Angelé, Senior Economist des Assetmanagers Bantleon. Er geht davon aus, dass der Auftragseingang noch Luft nach oben hat, da das größte Konjunkturmomentum in den USA und in Europa erst im zweiten Halbjahr erreicht werden dürfte. Ein Übertreffen des bisherigen Auftragsrekords von Ende 2017 ist Angelé zufolge in greifbare Nähe gerückt – der Abstand betrage „nur noch etwa 2%“.

Die Inlandsaufträge stiegen im März um 4,9%, die Auslandsbestellungen legten 1,6% zu, wobei der Anstieg der Orders aus dem restlichen Ausland (+2,2%) deutlich höher ausfiel als der aus den Ländern des Euroraums (+0,7%). Für LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sind die Zahlen „durchaus ambivalent“ vor dem Hintergrund der zuletzt zunehmenden Diskussionen über eine mögliche Überhitzung der US-Konjunktur und damit verbundene Inflationsrisiken. „Bald werden wir vielleicht sogar schon sagen: Weniger wäre mehr“, mahnte Niklasch.

Derweil aber ist die deutsche Wirtschaft „auf ein kräftiges Wachstum programmiert“, wie VP-Bank-Chefökonom Gitzel erwartet. Nach Beendigung des Materialmangels werde der Aufschwung umso stärker sein. Spätestens im vierten Quartal sollten die globalen Material- und Logistikprozesse wieder laufen, so Gitzel. Allerdings, so prognostiziert DWS-Euopa-Chefvolkswirt Martin Moryson, werde es infolge der Pandemie weniger Just-in-Time-Produktion geben und die Hersteller würden mehr Vorprodukte lagern wollen. Angesichts der Industrieumsätze, die nach dem Minus von 1,8% im Februar im März preis-, saison- und kalenderbereinigt um 2,0% zulegten, sollte die Produktion bereits im März deutlich angesprungen sein. Ökonomen erwarten ein Plus von 2,2%. Destatis gibt die Zahlen am heutigen Freitag bekannt.