Ifo-Studie

Deutsche Industrie im freien Fall

Die Standortvorteile der deutschen Wirtschaft schwinden zusehends, warnt das Ifo-Institut mit Verweis auf Befragungen der Unternehmen. Diese zeigen sich darin pessimistischer denn je. Ohne einen zügigen Politikwechsel hin zu besseren Rahmenbedingungen seien großflächige Abwanderungen nicht mehr zu stoppen.

Deutsche Industrie im freien Fall

Deutsche Industrie im freien Fall

Ifo-Befragung zeigt dramatisches Ausmaß von Wettbewerbsverlusten – Politik muss gegensteuern

Die Standortvorteile der deutschen Wirtschaft schwinden zusehends, warnt das Ifo-Institut mit Verweis auf Befragungen der Unternehmen. Diese zeigen sich darin pessimistischer denn je. Ohne einen zügigen Politikwechsel hin zu besseren Rahmenbedingungen seien großflächige Abwanderungen nicht mehr zu stoppen.

lz Frankfurt

Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hat nicht nur mit Blick auf die Statistik zuletzt deutlich nachgelassen, sondern wird auch in der Binnensicht der Branchen als dramatischer Einbruch empfunden. Das zeigen neue Umfragedaten des Ifo-Instituts, das mit Blick auf die Ergebnisse von einer „überaus negativen Bewertung der eigenen Wettbewerbsposition“ spricht. Besonders auffällig ist nach Angaben der Ifo-Forscher die negative Entwicklung in den energieintensiven Industriebranchen.

Im europäischen Vergleich liegen die Selbsteinschätzungen zudem deutlich niedriger als in anderen Ländern der Gemeinschaft. Sowohl auf dem EU-Markt als auch außerhalb entwickelten sich die Länder im Schnitt trotz „erkennbar fallender Tendenz“ deutlich weniger negativ als Deutschland. Die zweit- und drittwichtigsten EU-Volkswirtschaft – Frankreich und Italien – befänden sich über dem EU-Schnitt. Neben Deutschland liegen auf den hintersten Plätzen nur Belgien, Österreich und Finnland.

Komparative Vorteile schwinden

„Die Analyse verdeutlicht, dass die Vorteile der deutschen Industrie auf internationalen Märkten zunehmend schwinden“, sagt Ifo-Experte Stefan Sauer. Die Wettbewerbsposition habe sich in den vergangenen beiden Jahren so stark verschlechtert wie nie zuvor seit Beginn der Erhebung im Jahr 1994.

Seit über zwei Jahren befindet sich die deutsche Wirtschaft bereits in einer Stagnationsphase. Die Industrieproduktion ist gegenüber 2018 um mehr als 12% zurückgegangen. Die Auftragseingänge bleiben schwach, die Kapazitätsauslastung sinkt weiter. Symptomatisch ist auch die anhaltende Investitionsschwäche. Die Ausrüstungsinvestitionen sind seit vier Quartalen rückläufig.

Trump und Ampel-Aus belasten

Neben den hohen Energiepreisen nennen die Unternehmen als Gründe für ihre negative Wettbewerbseinschätzung den hohen Bürokratieaufwand, die steigenden Kosten bei den Vorprodukten und steuerliche Belastungen. Außerdem werden strukturelle Probleme wie der Fach- und Arbeitskräftemangel angeführt. „Diese Gründe verursachen höhere Produktionskosten des Standorts als in vielen anderen Ländern“, schreiben die Ifo-Forscher.

„Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und das Scheitern der Ampel-Koalition erhöhen nun die Unsicherheit für Unternehmen zusätzlich“, warnt das Ifo-Institut. Nur wenn es gelingt, die strukturellen Probleme anzugehen und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen und die Infrastruktur zu modernisieren, könne eine großflächige Abwanderung der industriellen Produktion aus Deutschland möglicherweise noch verhindert werden, heißt es in der Studie.

Binnenmarkt vertiefen

Damit Deutschland und die anderen EU-Länder wieder aufschließen können, ist nach Meinung von Ifo-Chef Clemens Fuest der Ausbau und die noch stärkere Integration in den EU-Binnenmarkt von entscheidender Bedeutung. Wie er auf der EconPol-Konferenz in Brüssel vor einigen Tagen darlegte, könnte ein umfassender Ausbau des Binnenmarktes allein für Dienstleistungen die Bruttowertschöpfung in Europa dauerhaft um 2,3% oder 353 Mrd. Euro erhöhen. Der Binnenmarkt, so Fuest, sei „unser größtes Asset“, das wir unabhängig von außenwirtschaftlichen Einflüssen für uns nutzbar machen könnten. Allerdings verwenden wir es nicht so, wie wir es eigentlich sollten.

Der im Jahr 2000 von der EU-Kommission angestoßene Lissabon-Prozess, der zum Ziel hatte, die Gemeinschaft bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen, war nach Meinung von Fuest „ein klarer Fehlschlag“. Und auch das Nachfolgeprogramm „Europa 2020“ zeigt sich als solcher, weil seither die Probleme dem Ifo zufolge noch größer geworden sind.

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