Deutsche Inflation mit kurzer Verschnaufpause
ms Frankfurt
Der seit Jahresbeginn rasante Anstieg der Inflation in Deutschland ist im Juni vorübergehend zum Stillstand gekommen. Tatsächlich ging die Teuerung gemessen an dem für EU-Zwecke berechneten HVPI sogar von zuvor 2,4% auf 2,1% zurück, wie Destatis am Dienstag mitteilte. Bereits im Juli wird der Anstieg aber wohl wieder Fahrt aufnehmen und die Inflation im Jahresverlauf sogar in Richtung 4% treiben. Das dürfte die Debatte über ein Zurückfahren der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) befeuern – auch wenn der Preisdruck in der gesamten Eurozone weniger stark ausgeprägt ist.
Wie weltweit hat auch die Inflation in Deutschland kräftig und stärker als erwartet zugelegt. Im Dezember hatte sie sogar noch bei –0,3% gelegen. Für den Anstieg sind zwar vor allem Basis- und Sondereffekte verantwortlich, und Bundesbank wie EZB erwarten 2022 wieder eine Normalisierung – weswegen die EZB keine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik in Betracht zieht. Die Zweifel und die Kritik an der Einschätzung einer nur temporären Entwicklung und am EZB-Kurs nehmen aber zu – zumal angesichts eines starken Preisdrucks auf den vorgelagerten Stufen.
Ähnlich wie in EU-harmonisierter Betrachtung gab die deutsche Inflationsrate im Juni nun auch in nationaler Rechnung (VPI) nach – von zuletzt 2,5% auf 2,3%. Am stärksten verteuerte sich erneut Energie mit 9,4% – nach sogar 10,0% im Mai. Bereits im Juli ist aber wieder mit einem starken Anstieg zu rechnen, womöglich sogar schon in Richtung 3%. Grund dafür ist vor allem, dass dann die in der zweiten Jahreshälfte vorübergehend gesenkte und inzwischen wieder erhöhte Mehrwertsteuer durchschlägt. Im weiteren Jahresverlauf rechnet dann auch die Bundesbank gar mit mehr als 4%.
Als wesentliches Argument gegen eine dauerhaft stärker steigende Inflation gilt den meisten Notenbankern und Ökonomen das schwache Lohnwachstum. Der Preisdruck etwa bei den Rohstoffen und bei den Erzeugerpreisen lässt aber das Risiko eines dauerhafteren Trends steigen.
Die meisten EZB-Granden ficht das aber bislang nicht an. Sie konzentrieren sich auf die Gefahren für das Wachstum durch die Pandemie. Am heutigen Mittwoch gibt es eine erste Schätzung für die Euro-Inflation im Juni. Volkswirte erwarten im Mittel einen Rückgang von 2,0% im Mai auf 1,8% bis 1,9%. Trotzdem hat zuletzt die Debatte im EZB-Rat über den weiteren Kurs an Brisanz zugelegt (vgl. BZ vom 29. Juni).