Welthandel

Deutsche Unternehmen beim Hamstern im Nachteil

Laut einer Studie treibt das Wiederauffüllen der Lagerbestände den Welthandel. Dabei haben Unternehmen aus den USA die Nase vorn. Auch in Sachen Preise gibt es keine Entwarnung.

Deutsche Unternehmen beim Hamstern im Nachteil

rec Frankfurt

Hamsterkäufe sind laut einer Studie des Kreditversicherers Euler Hermes das Phänomen der Stunde im Welthandel – und deutsche Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten aus den USA im Nachteil. „Der prophezeite Nachhol-Boom nach dem Lockdown hat längst eingesetzt, und Unternehmen versuchen händeringend, ihre Lagerbestände aufzufüllen“, sagt Ron van het Hof, Geschäftsführer für den deutschensprachigen Raum bei der Allianz-Tochter. Warenlieferungen aus China in die USA nähmen derzeit um rund 30% zu, nach Europa hingegen nur um etwa 10%, hieß es.

Die Entwicklung treibt den Welthandel insgesamt: Für das Gesamtjahr rechnen die Volkswirte von Euler Hermes beim Volumen der weltweit gehandelten Waren und Dienstleistungen mit einem Plus von 7,7%, nach 8% Minus im Vorjahr. Wegen deutlicher Preiserhöhungen dürfte demnach der Handel dem Wert nach sogar um 15,9% zulegen, nach einem Minus von 9,9% im Jahr 2020. Dabei mache „die Normalisierung der Angebots- und Nachfragebedingungen allerdings nur etwa 15% aus – die Aufstockung der Lagerbestände hingegen etwa 50%.“ Der Rest gehe zurück auf die knappen Frachtkapazitäten auf den Weltmeeren und damit einhergehende Preissprünge.

Diese Gemengelage wird insbesondere für die stark auf den Außenhandel angewiesene deutsche Wirtschaft zum Problem. Sie hat mit einem doppelten Problem zu kämpfen: Nicht nur schnappen Firmen aus anderen Ländern, allen voran den USA, ihnen angesichts des dortigen Konjunkturbooms knappe Vorprodukte weg. Auch haben sie vergleichsweise wenige Produkte auf Halde liegen. Die Volkswirte von Euler Hermes bezeichnen Deutschland deshalb als Nachzügler in Sachen (Wieder-)Auffüllen der Lagerbestände. Das gilt auch für die Eurozone insgesamt. Die USA hingegen fallen in die Kategorie Hamsterer, weil die dortigen Lager schon vor der Krise üppig gefüllt waren (siehe Grafik). „Die USA haben im Rennen um die Waren klar die Nase vorne – unter anderem aufgrund der früheren Wiedereröffnung“, konstatiert van het Hof.

Speziell für die deutsche Industrie nehmen damit die Sorgen zu, die anziehende Nachfrage angesichts anhaltender Lieferengpässe und Materialknappheiten nicht hinreichend bedienen zu können. Der Bestand an Aufträgen steigt stetig, und es kommen immer neue Aufträge hinzu – eigentlich ein verheißungsvolles Umfeld für einen sich selbst tragenden Aufschwung. Allerdings melden immer mehr Unternehmen Probleme mit Materialmängeln: Laut Umfragen des Münchner Ifo-Instituts klagen inzwischen fast zwei Drittel der Firmen, dass entsprechende Hindernisse ihre Produktion beeinträchtigen. Zugleich leeren sich ihre Lager zusehends.

Weit von Entwarnung entfernt sind die Ökonomen von Euler Hermes in Bezug auf die zu beobachtenden Preisschübe. Containerengpässe und Verspätungen ließen die Preise im Welthandel „explodieren“, schreiben sie – und dieser Preisdruck dürfte „auch 2022 anhalten, obwohl er 2021 seinen Höhepunkt erreichen dürfte“. Unternehmen in Deutschland, Euroland und den USA berichten derzeit unisono von im Durchschnitt und auf Jahressicht zweistelligen Preissprüngen auf der Import- wie Exportseite. Auch scheuen sich viele laut Umfragen nicht, höhere Kosten an Kunden weiterzureichen – was sich dann in den Verbraucherpreisen niederschlagen dürfte.

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