Deutschland ist Spitzenreiter beim Strompreis
Deutschland ist Spitzenreiter beim Strompreis
Ungarn, Bulgarien und Norwegen besonders günstig – Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eng mit Energiekosten verknüpft
Kaum ein Tag vergeht, da Industriebetriebe nicht über den hohen Strompreis in Deutschland klagen. Sie erklären damit auch ihre Zurückhaltung bei Investitionen und ihren Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Ein neuer europäischer Vergleich zeigt nun: Die Politik muss schnellstens handeln. Der Preis legt weiter zu.
lz Frankfurt
Deutschland steht an der Spitze bei den Strompreisen in Europa. Eine neue Studie des schwedischen Vergleichsportals Finansvalp zeigt die große Bandbreite, die gerade für energieintensive Betriebe zu Kostennachteilen führt. Das ist auch für die Klimatransformation ein großes Hindernis, weil die klimaverträglichen Technologien tendenziell auf das reichliche Vorhandensein von preisgünstigem Strom bauen.
Wie das Portal auf der Basis von Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat zeigt, liegt der Durchschnittspreis in der Eurozone für eine Megawattstunde Strom bei rund 305 Euro. In Deutschland als teuerstem Land sind es dagegen 416 Euro, den günstigsten Strom erhält man in Ungarn mit knapp 111 Euro. Dies erklärt auch einige der jüngst vorgenommenen Produktionsverlagerungen von deutschen Herstellern.
Die außerordentlich niedrigen Strompreise in Ungarn oder Bulgarien führt Finansvalp-Chef Olle Pettersson auf die dort vorherrschenden Preiskontrollmaßnahmen zurück. Die niedrigeren Kosten würden jedoch auch dadurch beeinflusst, „dass diese Länder noch weiter auf Kohle und Kernkraft setzen, die billiger sind als erneuerbare Energiequellen“. Dagegen machten sich Deutschland und Belgien bei der Stromerzeugung stark vom teuren Erdgas abhängig. Zudem habe „die Drosselung ihrer Atom- und Kohlekapazitäten in Verbindung mit der allgemeinen europäischen Energiekrise dazu geführt, dass die Einwohner dieser Länder mit besonders hohen Kosten konfrontiert werden“.
Neuer Index sorgt für Transparenz
Schon seit geraumer Zeit fordern Wirtschaftsverbände die Politik auf, den Strompreis zu deckeln oder für bestimmte besonders betroffene Branchen zu subventionieren, um kostenmäßig noch international mithalten sein zu können. Die CDU/CSU sagt in ihrem Programm für die Bundestagswahl zu, Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel für die Entlastung bei Netzentgelten und Stromsteuer verwenden zu wollen. Die SPD will ebenfalls die Netzentgelte drücken, allerdings über einen kreditfinanzierten Deutschlandfonds. Außerdem gibt es für die Stahlbranche die Zusage für einen „Brückenstrompreis“. Die Grünen wiederum setzen auf eine Kombination von Systemoptimierung, Steuersenkung und Staatsförderung.
Für mehr Transparenz bei den Stromkosten sorgt nun die Bundesnetzagentur. Sie hat einen neuen Index für den Industriestrompreis veröffentlicht. Der Indexwert von 100 wurde auf den Januar 2021 angelegt. Der Höchstwert lag bei 724 Indexpunkten im August 2022, kam dann zurück auf zuletzt knapp 168 Punkte. Allerdings lag der Strompreis in jüngster Zeit schon einmal viel niedriger: Im Februar 2024 wurden rund 125 Punkte gemessen. Zum Vergleich: Im Januar 2018 waren es 76 Punkte. Insofern zahlt die deutsche Industrie trotz der Preisberuhigung nach der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs inzwischen einen fast doppelt so hohen Strompreis wie davor. Die Vergünstigungen sind dabei schon eingerechnet, wie die Bundesnetzagentur einräumt.