Deutschland verliert im Standortwettbewerb an Boden
Deutschland verliert im Standortwettbewerb an Boden
Bundesbank: „Strukturbruch“ bei Direktinvestitionen
ba Frankfurt
Deutschland hat in den vergangenen Jahren deutlich weniger Direktinvestitionen angezogen. Das zeigt ein vorab veröffentlichtes Kapitel aus dem Bundesbank-Monatsbericht. In Relation zur jeweiligen Wirtschaftsleistung seien Frankreich und Spanien bei ausländischen Direktinvestoren beliebter gewesen. Als besonders augenfällig bezeichnet die Bundesbank auch „die markanten Abzüge von Beteiligungskapital aus wichtigen Holdingstandorten des Euroraums“. Die entsprechenden Bestände in Irland, Luxemburg und den Niederlanden seien seit Ende 2021 beträchtlich gesunken und hätten dafür gesorgt, dass auch der Euroraum als Ganzes Desinvestitionen verzeichnete.
Seit Ende 2019 erhöhten ausländische Anleger ihr Beteiligungskapital in Deutschland bis Juni 2024 um insgesamt 163 Mrd. Euro. Der überwiegende Teil stammt dabei mit 104 Mrd. Euro aus Ländern außerhalb des Euroraums. Wichtigstes Herkunftsland waren laut Bundesbank die USA mit 56 Mrd. Euro, gefolgt von den Niederlanden (35 Mrd. Euro) und Großbritannien (17 Mrd. Euro). „Zusätzliches Beteiligungskapital aus anderen Ländern des Euroraums wurde seit Ende 2021 per saldo kaum noch bereitgestellt“, heißt es in dem Vorabkapitel. Die Zuflüsse aus Drittländern seien immer noch positiv, hätten sich aber im Vergleich zu den Jahren zwischen Ende 2019 und Ende 2021 signifikant abgeflacht. „Tatsächlich lässt sich 2022 ein statistisch signifikanter Strukturbruch feststellen, der zu einem deutlich niedrigeren Aufkommen von Direktinvestitionen in Deutschland führte.“
Brexit-Folgen
Während Direktinvestoren aus den USA und den Niederlanden sowohl vor als auch nach diesem Strukturbruch eine zentrale Rolle spielten, hätten Mittelzuflüsse aus dem Vereinigten Königreich in den vergangenen zweieinhalb Jahren merklich an Bedeutung verloren − wohl auch wegen des Brexits, vermutet die Bundesbank. Bei den ausländischen Direktinvestitionen ins verarbeitende Gewerbe entfielen seit 2020 fast 60% auf drei Wirtschaftszweige: die Herstellung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen, den Maschinenbau und die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten. In die besonders energieintensiven Sektoren gingen weniger als 10% des zufließenden Beteiligungskapitals im verarbeitenden Gewerbe.
Die Gründe für die seit 2022 verminderten Direktinvestitionszuflüsse nach Deutschland lassen sich laut Bundesbank „noch nicht mit Gewissheit identifizieren“. Wie bei den deutschen Direktinvestitionen im Ausland könnten die hohen Energiepreise hierzulande eine Rolle spielen. „Dabei kommen sowohl zyklische als auch strukturelle Faktoren zum Tragen.“ Von Bedeutung sei sicher auch der intensive Standortwettbewerb, insbesondere in zukunftsträchtigen und strategisch bedeutsamen Branchen. „Hier müssen Deutschland und Europa in den kommenden Jahren beweisen, dass sie international weiter wettbewerbsfähig und in der Lage sind, ausländisches Kapital anzuziehen.“
Geopolitische Erwägungen
Zudem zeigen die Daten, dass bei den deutschen Direktinvestitionen im Ausland neben den Produktionsbedingungen zunehmend geopolitische Überlegungen bei der Standortwahl an Bedeutung gewinnen. „Besonders attraktiv für deutsche Unternehmen sind die USA, und zwar sowohl mit Blick auf die Produktionsbedingungen als auch als strategischer Partner“, heißt es in dem Vorabkapitel. Zudem habe die US-Regierung „nicht zuletzt mit dem Inflation Reduction Act (IRA) starke Anreize für eine Produktion in den USA“ gesetzt.
Bis 2014 war der Euroraum noch der bevorzugte Standort deutscher Konzerne. China ist laut Bundesbank weiter ein wichtiges Zielland deutscher Direktinvestitionen, wenn sich auch die Dynamik neuer Direktinvestitionen verlangsamt hat und teilweise Kapital abgezogen wurde. Dies könne auch daran liegen, dass sich das Wirtschaftswachstum in China merklich abgekühlt hat.