Deutschland vor Explosion der Gesundheitsausgaben
Explosion der Gesundheitskosten erwartet
OECD kritisiert Deutschland wegen schlechter Vorbereitung auf demografische Alterung – Lebenserwartung unter EU-Wert
Deutschland leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme weltweit, doch mangelt es an Effizienz und strategischer Ausrichtung, wie die OECD kritisiert. Zu wenig wird bedacht, dass die Alterung auch das Systempersonal betrifft, was zusätzliche Ausgaben nach sich zieht. Es wird noch mehr Geld in das System fließen.
lz Frankfurt
Europa sieht sich einem tiefgreifenden demografischen Wandel gegenüber. Der Anteil der über 65-Jährigen in der EU von aktuell 21% wird im Jahr 2050 auf 29% steigen, erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer jüngsten Sektorstudie „Health at a Glance“. Das hat Folgen unmittelbar für die Gesellschaft und die damit auflaufenden Gesundheitskosten, aber auch für den Gesundheitssektor im Speziellen, weil auch hier Personal zunehmend fehlt.
Entscheidend ist für das Gesundheitssystem dabei nicht die Langlebigkeit insgesamt, die dann eher ein Problem für das Rentensystem darstellt, sondern die Zeit, welche die Rentnergeneration noch in Gesundheit leben kann. Die verbleibende Lebenserwartung in Europa ab dem 65. Lebensjahr übersteigt inzwischen 20 Jahre; aber mehr als die Hälfte dieser Jahre wird durch chronische Krankheiten und Behinderungen beeinträchtigt, was mehr Kosten als zuvor nach sich zieht.
Personeller Mangel
Zudem wird der Mangel an Personal im Gesundheitssektor noch größer werden. Die OECD spricht von einer „schweren Krise“. Aktuell fehlen in der EU 1,2 Millionen Personen im medizinischen Bereich. Da mehr als Drittel des praktizierenden Personals älter als 55 Jahre ist, wird sich die Lage weiter verschärfen. Nach Einschätzung der OECD kann die Lücke nicht allein durch Migration geschlossen werden, sondern nur durch eine Steigerung der Attraktivität dieser Berufe etwa über höhere Löhne, bessere Ausstattung und Karrieremöglichkeiten sowie Automatisierung. Insgesamt, hat die OECD ausgerechnet, wären dafür zusätzliche Investitionen von etwa 0,6% des BIP notwendig.
In Bezug auf die Bevölkerungsalterung kritisiert die OECD, dass bisher noch zu wenig Mittel auf Prävention alterungsbedingter Krankheiten konzentriert wird. Die Kosten dieser Untätigkeit – sowohl bezogen auf die Verringerung gesunder Lebensjahre als auch die wirtschaftliche Belastung – seien „untragbar hoch“. Ein „konzertiertes Szenario des gesunden Alterns“ könnte das Wachstum der Gesundheitsausgaben in den kommenden Jahrzehnten verlangsamen und die Kosten der Langzeitpflege eindämmen – damit auch den Bedarf an Pflegekräften verringern.
Zu wenig für Pflege und Prävention
Das deutsche Gesundheitssystem wird durch die Alterung besonders herausgefordert, zumal es bereits eines der teuersten weltweit ist und die Alterung hierzulande rasant voranschreitet. Allerdings zeigt sich der hohe Kostenstandard des Systems nicht unmittelbar in der Lebenserwartung, die hierzulande auf 81,2 Jahre geschätzt wird, was unterhalb des EU-Durchschnitts liegt. Sie ist zudem zwischen 2,6 und 3 Jahren niedriger als in Spanien, Italien oder der Schweiz.
Die personelle Ausstattung im Gesundheitswesen ist nach OECD-Angaben hierzulande indes höher als anderswo, so dass der Nachholbedarf in den nächsten Jahren eigentlich geringer als anderswo sein dürfte. Aber es wird im Ländervergleich hierzulande insgesamt zu wenig für die Pflege ausgegeben. Aktuell sind es 1,9% des BIP, während etwa Schweden und die Niederlande zwischen 3,2 und 3,8% aufwenden. Der Pflegeanteil wird nach Einschätzung der OECD je nach Land zwischen 0,5 und 3,5% anwachsen.
Der Rückstand Deutschlands bei der Pflege ist überraschend, zumal die Gesamtausgaben für den Gesundheitssektor hierzulande bei 5.317 Euro pro Kopf und Jahr liegen. Das ist um die Hälfte höher als im EU-Schnitt. Umgerechnet werden für den gesamten Sektor in Deutschland 12,6% des BIP aufgewendet – der höchste Wert in der EU.