Dünne Mehrheit für Macron
wü Paris
Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen am Sonntag zeichnet sich in Frankreich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der Allianz der Regierungspartei von Präsident Emmanuel Macron mit dem von dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon angeführten Bündnis Nupes (Nouvelle Union populaire écologique et sociale) ab. Die Regierungsallianz kam nach Angaben des Innenministeriums landesweit auf 25,8% der Stimmen, das Linksbündnis, dem neben Mélenchons Partei La France Insoumise auch die Grünen, die Kommunisten und die Sozialisten angehören, auf 25,7%.
Der rechtsextreme Rassemblement National (RN) der bei den Präsidentschaftswahlen Zweitplatzierten Marine Le Pen wiederum verbuchte 18,7% der Stimmen, die konservativen Republikaner 10,4%. Sie sind bisher die stärkste Oppositionskraft in der französischen Nationalversammlung. Der rechtsextreme, kürzlich als Präsidentschaftskandidat angetretene Eric Zemmour schied in seinem südfranzösischen Wahlkreis bereits in der ersten Runde aus. Mit gerade mal 47,4% stellte die Wahlbeteiligung einen neuen Negativrekord dar. Allerdings hatten schon bei den letzten Parlamentswahlen 2017 nur 48,7% der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Linkspopulist Mélenchon feiert sich nun bereits als Sieger, obwohl das komplizierte Wahlsystem mit der Stichwahl in der zweiten Runde eher der Regierungsallianz zugutekommen dürfte. „Die Partei des Präsidenten ist geschlagen und besiegt“, erklärte er am Wahlabend. „Zum ersten Mal in der Fünften Republik gelingt es einem frischgewählten Präsidenten nicht, bei den folgenden Parlamentswahlen, eine Mehrheit hinter sich zu vereinigen.“
Mélenchon hatte bei den Präsidentschaftswahlen im April als Drittplatzierter nur ganz knapp hinter Le Pen abgeschnitten. Seitdem hat er keinen Hehl aus seinen Ambitionen gemacht, Premierminister Frankreichs zu werden. Er hoffe nun, dass die Franzosen den verheerenden Vorhaben der Mehrheit Macrons beim zweiten Wahlgang eine definitive Absage erteilten, sagte er.
Dagegen hält Macrons neue Premierministerin Élisabeth Borne das Linksbündnis Mélenchons am 19. Mai für chancenlos. „Wir sind die einzige politische Kraft, die in der Lage ist, eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bekommen“, erklärte sie. Laut Prognosen kann die Regierungsallianz auf 255 bis 295 der 577 Sitze in der Nationalversammlung hoffen. Derzeit hat sie 396. Das Linksbündnis Nupes wiederum könnte laut Ipsos-Storia auf 150 bis 190 Abgeordnete kommen, die Republikaner auf 50 bis 80 und der rechtsextreme RN auf 20 bis 45.
Regierungschefin Borne appellierte an die Wähler, in den 58 Wahlkreisen, in denen der RN in die Stichwahl gekommen ist, nicht für die Kandidaten der rechtsextremen Partei zu stimmen. Die Haltung des Regierungsbündnisses gegenüber dem Linksbündnis Nupes fällt nuancierter aus.
Sollte der in die Stichwahl gelangte Kandidat nicht die republikanischen Werte verteidigen, Polizisten beleidigen und aus der EU austreten wollen, rufe die Regierungsallianz dazu auf, gegen ihn zu stimmen. Mélenchon hatte Polizisten kürzlich als Mörder beschimpft, nachdem Ordnungskräfte in Paris bei einer Verkehrskontrolle auf ein Auto, das sie umfahren wollte, geschossen und die Beifahrerin getötet hatten
Den 15 Ministern der neuen Regierung, die wie Borne selbst bei den Parlamentswahlen angetreten sind, ist allen der Einzug in die zweite Wahlrunde gelungen. Allerdings kamen einige von ihnen auf weniger Stimmen als ihre jeweiligen Gegenkandidaten von Nupes, so der Minister für den öffentlichen Dienst Stansilas Guérini, der beigeordnete Europa-Minister Clémence Beaune und Amélie de Montchalin, die Ministerin für den ökologischen Wandel. Sollten sie in der Stichwahl unterliegen, müssen sie die Regierung verlassen.
Kommentar Seite 1