Konjunktur

Ein Fünftel mehr Firmenpleiten im ersten Halbjahr

Im ersten Halbjahr ist die Insolvenzzahl in Deutschland um ein Fünftel gestiegen. Frühindikatoren lassen auf weiter zulegende Zahlen schließen.

Ein Fünftel mehr Firmenpleiten im ersten Halbjahr

Ein Fünftel mehr Firmenpleiten im ersten Halbjahr

Erneut mehr Regelinsolvenzen beantragt – Forderungen der Gläubiger legen zu – Bausektor stark betroffen

ba Frankfurt

Wegen der Konjunkturschwäche und der anziehenden Finanzierungskonditionen ist in den kommenden Monaten mit steigenden Insolvenzzahlen zu rechnen. Dies zeigt sowohl die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen als auch der IWH-Insolvenztrend an. Zudem gab es im ersten Halbjahr ein Fünftel mehr Firmenpleiten als im Vorjahr. Die Verbraucherinsolvenzen sind hingegen im Vorjahresvergleich gesunken. Die bisher oft befürchtete Welle wird nach Expertenschätzung damit weiter nicht ausgelöst.

Dynamik lässt etwas nach

Dem Statistischen Bundesamt (Destatis) zufolge hat die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland im August um 13,8% gegenüber dem Vorjahresmonat zugelegt. Damit hat sich die Dynamik wieder etwas gelegt, denn im Juli hatten die Wiesbadener Statistiker ein Plus von 23,8% gemeldet nach 13,9% im Juni und 3,1% im Mai. Allerdings, so betonen die Statistiker, fließen die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik ein und es werden nur die Geschäftsaufgaben abgebildet, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens ablaufen – nicht jedoch solche aus anderen Gründen oder bevor akute Zahlungsschwierigkeiten auftreten.

Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor. So haben die deutschen Amtsgerichte für das erste Halbjahr einen Anstieg der beantragten Unternehmensinsolvenzen im Jahresvergleich um 20,5% auf 8.571 gemeldet. Die daraus entstandenen Forderungen der Gläubiger wurden dabei auf rund 13,9 Mrd. Euro beziffert. Im Jahr zuvor waren es rund 8,2 Mrd. Euro. Die 33.140 gemeldeten Verbraucherinsolvenzen hingegen liegen um 1,9% unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2022.

Verkehr und Lagerei liegt vorn

Mit Blick auf die Wirtschaftsabschnitte war die Insolvenzhäufigkeit im Bereich Verkehr und Lagerei mit 54,1 Fällen je 10.000 Unternehmen am höchsten, gefolgt von den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen beispielsweise Zeitarbeitsfirmen zählen. Hier meldet Destatis 41,3 Fälle. Die geringste Insolvenzhäufigkeit, nämlich 2,4 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen, gab es in der Energieversorgung. Insgesamt gab es im ersten Halbjahr 25,3 Unternehmensinsolvenzen bezogen auf je 10.000 Unternehmen.

Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) wertet die Destatis-Zahlen weiter als Normalisierung des Insolvenzgeschehens. „Derzeit stecken vor allem zinssensible Unternehmen in einer problematischen Lage“, erklärt VID-Vorsitzender Christoph Niering. Betroffen seien aktuell besonders die Immobilienwirtschaft und der Bausektor. Unternehmen, die früher mit niedrigen Zinsen gewirtschaftet und mit steigenden Preisen im Verkauf geplant haben, würden dieser Tage oft keine neuen Kredite bekommen, um das Unternehmen am Leben zu halten. Niering erwartet daher einen moderaten Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zum Jahresende.

Ein ähnliches Bild wie die amtliche Statistik zeichnet auch der Insolvenztrend des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Demzufolge sind im August 1.007 Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland insolvent geworden – im Juli waren es noch 2% mehr. Im August 2022 allerdings lag die Zahl noch um 40% niedriger. Laut dem IWH lag die Fallzahl um 8% über dem August-Durchschnitt der Vor-Corona-Jahre 2016 bis 2019. Die Zahl der betroffenen Beschäftigten in den größten 10% der Unternehmen übertraf wiederum mit 11.600 das Vor-Pandemie-Niveau um 45%. Am stärksten betroffen waren dabei Jobs in den Bereichen Industrie, Handel und unternehmensnahe Dienstleistungen.

IWH meldet Rekordhoch

„Die Insolvenzzahlen haben sich in den vergangenen Monaten auf leicht erhöhtem Niveau stabilisiert“, erklärte dazu IWH-Experte Steffen Müller. Für September prognostiziert er ebenfalls noch stabile Insolvenzzahlen. „Für den Fall, dass die Insolvenzfrühindikatoren im September abermals stark erhöht ausfallen, rechnen wir mit spürbar steigenden Insolvenzzahlen im vierten Quartal des Jahres“, mahnte er aber. Diese Frühindikatoren, die auf vorläufigen Gerichtsentscheidungen verknüpft mit Bilanzkennzahlen betroffener Unternehmen basieren, haben sich dem IWH zufolge in den vergangenen Monaten „markant entwickelt“. Im August erreichten sie den höchsten Wert seit Beginn der Berechnung im Januar 2020. Rekordstände ergaben sich dabei für den Bausektor ebenso wie für die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

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